Ralf Pasch, Die Erben der Vertreibung. Sudetendeutsche und Tschechen heute, Mitteldeutscher Verlag Halle 2014, 232 S., ISBN 978-3-95462-236-8, € 14,95.
mεta - *heimat
Ein „Panoptikum des sudetendeutsch-tschechischen Universums“, das ist wohl dieses Buch mit dem spannenden Namen ‚mεta - *heimat‘ von Ralf Pasch. Pasch entführt den Leser in diesen spannenden Raum mit so unterschiedlichen Ansätzen, Hintergründen und Umgebungen. Verstehen, Verständnis, Nachvollziehen, das ist es, was das Buch uns lehrt. Aber nicht das Verstehen der Geschichte, nein, das Verstehen der heutigen Akteure. Die „Dritte Generation“, das oft nur sehr vage umreißbare Heinzelmännchen-Nest der deutsch-tschechischen Verständigung, wird hier in all ihren Facetten und Phänomenen beschrieben. Tschechen und Verbliebene in lokalen oder überregionalen Initiativen, West- und Ostdeutsche und Österreicher in ihrer Aktivität wie Passivität, ihrem Engagement und ihrem Familienleben. Menschen wie Matěj Spurný, der im Riesengebirge aufwuchs und sich mit der Zeit dem deutschen Erbe seiner Umgebung verschrieb, als Abiturient die Initiative ‚Antikomplex‘ ins Leben rief und mit ihr heute ein wichtiger Player der tschechischen Zivilgesellschaft ist. Oder Sebastian Benedikt, der sich für die Vergangenheit der Familie seines Vaters interessiert, recherchiert, nachfragt und die Erinnerung weiterträgt. Das sind nur zwei von fünfzehn Schicksalen, die dieses Buch beschreibt und nacherzählt. Die Kapitel bieten einen Überblick über die Familiengeschichte, deren Verarbeitung in der Familie, die Perspektive und das oft daraus erwachsene Engagement des Betroffenen. Vieles wird dem interessierten Leser aus eigener Erfahrung oder Beschäftigung bekannt sein, umso interessanter ist es, es bei anderen Menschen wieder zu entdecken.
Das Buch ist gut und leicht lesbar, der Autor fasst in fünfzehn Kapiteln Interviews mit den vorgestellten Persönlichkeiten knapp und treffend zusammen. Mancher Absatz ist etwas hölzern geraten, wenn der Autor mehr aufzählt als erzählt oder manche Erzählung mit Berufung auf die historische Forschung korrigiert. Doch die Kritik soll hier nur in diesem einzigen Satz Platz finden, denn im Großen und Ganzen ist das Buch „mεta - *heimat“ äußerst lesenswert und aufschlussreich. Jedem, der die ganze Breite der deutsch-tschechische Szene und ihrer Akteure mit deren Beweg- und Hintergründen kennenlernen möchte, ist dieses Buch aufs Wärmste ans Herz gelegt. Selbst die besten Kenner der Szene werden neue Facetten entdecken können.
Samuel Raz