Der selige Winthir von Neuhausen - ein Böhme?

Bei einem Vortrag über den seligen Winthir von Neuhausen befasste sich Prof. Dr. Kurt Heißig intensiv mit der Herkunft des in der Münchner Region verehrten Glaubenszeugen.

Winthir missionierte als einfacher Sämer (Warentransporteur) die Menschen in der Region des Dorfes Neuhausen, das heute zu München gehört. Nur weniges gilt als gesichert, da die frühesten schriftlichen Dokumente Jahrhunderte nach dem Wirken Winthirs verfasst worden sind. So herrscht zum einen Unklarheit über den Zeitpunkt seines Wirkens – die Angaben schwanken zwischen dem 7. und dem 14. Jahrhundert –, zum anderen bleibt auch seine Herkunft im Verborgenen. Bezeugt ist nur, dass er „aus der Fremde“ kam.

Licht ins Dunkel möchte nun Prof. Heißig bringen. Ihn brachte der ungewöhnliche Name Winthir auf eine ganz neue Spur. Landläufig wird eine iroschottische Abstammung des Seligen vermutet, was eine gewisse Logik hat, wenn man davon ausgeht, dass Winthir bereits im 7./8. Jahrhundert hier wirkte, als die iroschottische Mission in unseren Breiten ihre Blütezeit erlebte. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass in dieser frühen Zeit Laienmissionare auftraten, was im 12. bis 14. Jahrhundert schon häufiger der Fall war, wie bereits 1970 in der Forschung vermutet wurde.

Zudem – so Prof. Heißig – hat der Name eigentlich keinen Bezug zum englischen oder auch althochdeutschen Sprachraum, wohl aber zum Tschechischen, wo der Name durch das Wirken des heiligen Gunther/Vintiř ab dem 11. Jahrhundert eine große Popularität erlangt hatte. Wäre es daher nicht vorstellbar, dass der selige Winthir von Neuhausen eigentlich aus dem Böhmischen kommt und als Salz transportierender Maultiertreiber über den Goldenen Steig, der ab der Mitte des 12. Jahrhunderts auch durch München führte, an seinen Wirkungsort Neuhausen gelangt ist?

Exiltschechen, die nach dem Prager Frühling nach München kamen, sahen den in München verehrten Winthir sogleich als einen der Ihren an. Aufgrund der Sprachbarriere jedoch blieb diese Verbindung lange Zeit unbemerkt in der deutschen Forschung – bis Prof. Heißig durch seine zweisprachig aufgewachsene Frau darauf aufmerksam gemacht wurde. Klarheit könnte vermutlich eine Untersuchung der Reliquien des Seligen bringen. Eine Sensation wäre das allemal.

Straßenschild Winthirplatz