75 Jahre Ackermann-Gemeinde
Ob es vor 75 Jahren auch eine Torte zum Anlass der Gründung der Ackermann-Gemeinde gab, ist nicht überliefert. Vermutlich nicht, war die Zeit doch von Not und Entbehrung geprägt. Die Zusammenkunft und das gemeinsame Gebet katholischer Vertriebener aus Böhmen, Mähren und Schlesien war ein Neuanfang in herausfordernder Zeit.
Heute vor 75 Jahren, am 13. Januar 1946, kamen katholische Vertriebene aus Böhmen, Mähren und Schlesien in München zusammen. Diese Begegnung gilt als Gründung der Ackermann-Gemeinde. Im Mittelpunkt stand ein "Sühne- und Gelöbnisgebet", das Pater Dr. Paulus Sladek OSA formuliert hatte. In diesem heißt es:
Mit großem Leid hast Du uns heimgesucht um unserer Sünden willen. Aber alles, was Du uns getan, o Herr, hast Du getan nach gerechtem Gericht. Wir haben nicht nach den Sünden der anderen zu fragen, wir müssen die eigene Schuld bekennen. Wir sind träge gewesen in Deinem Dienste, hartherzig und lieblos gegen den Nächsten, gleichgültig gegen Deine Gnade und die heiligen Sakramente. Auch wir haben Anteil an der Schuld, die unser Volk auf sich geladen hat. Wir bekennen und bereuen.
Weiter heißt es:
Wir wollen es wieder ernst nehmen mit unseren Christenpflichten. Gedanken der Rache und neuer Vergeltung sollen nicht Macht gewinnen über unsere Herzen. Dir wollen wir unsere Sache anheim stellen, der Du Herr über alle Völker bist und alle vor Dein Gericht rufst.
Mutige und wegweisende Worte im Januar 1946, auf die die Ackermann-Gemeinde ihr Wirken für Integration und eine deutsch-tschechische Versöhnung aufbauen konnte.
Vom Prager Botschafter Dr. Christoph Israng erreichte uns ein Glückwunsch per Twitter:
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und danke für den großartigen Einsatz für die deutsch-tschechischen Beziehungen sowie für Verständigung und Freundschaft im Herzen Mitteleuropas.
In der FAZ erschien heute auf S.8 unter dem Titel "Versöhnung als Mission" ein längerer Artikel. Der Autor hebt darin die Überzeugung der Ackermann-Gemeinde hervor, "dass Wunden nur geheilt werden können, wenn Vertreter der unterschiedlichsten Strömungen in einen Dialog miteinander treten." Im Vielklang der Standpunkte und seitens verschiedenster Interessengruppen, sei es "schwer festzumachen, wie viel die Ackermann-Gemeinde dazu beigetragen hat, dass Sudetendeutsche und Tschechen mittlerweile nicht mehr so hitzig wie früher über die Vergangenheit streiten. Ihr Anteil daran dürfte aber nicht gering sein."
Dass der Verband neben der Vergangenheitsbewältigung auch einen Weg in die Zukunft gefunden hat, beschreibt der Autor mit den Worten:
Die Mitglieder der Ackermann-Gemeinde scheinen ihre historische Mission der Versöhnung erfüllt zu haben. Doch der Verband und seine Jugendorganisation sind weiter sehr aktiv. In der Pandemie wollen die Mitglieder der Ackermann-Gemeinde genau wissen, wie es um die dramatische Lage in der Tschechischen Republik steht. Für sie und für viele andere Nachfahren von sudetendeutschen Vertriebenen ist klar: Eine mittlerweile größere Gefahr als der alte Katalog von wechselseitigen Forderungen und Vorwürfen ist die Ignoranz in der Mitte Europas – ein eiserner Vorhang im Kopf.
Leider können wir das Jubiläum in diesem Jahr nicht am Gründungstag feiern. Wir holen es am 7. August 2021 in Prag nach.
Auch 2021 ist unser Jubiläum Auftrag, wie es unser Bundesvorsitzender Martin Kastler damals in Philippsdorf formulierte:
Wenn wir auf die vergangenen sieben Jahrzehnte zurückblicken, können wir dankbar sein. Dankbar, dass es zwischen unseren Völkern zu einem Heilungsprozess kam und viele Wunden der Vergangenheit heilen konnten. Wir wissen, dass Versöhnung nie ein abgeschlossener Prozess ist. Sie braucht immer wieder neue Impulse.
In diesem Sinne wirken wir weiter für eine versöhnte und lebendige deutsch-tschechische Nachbarschaft und für ein Miteinander in Europa.
Aus Anlass des Gründungsjubiläums verweisen wir auf folgendes Dokument und einige Artikel:
"Sühne- und Gelöbnisgebet" vom 13. Januar 1946 (verfasst von P. Dr. Paulus Saldek)
FAZ (13.01.2021): Versöhnung als Mission
Landesecho (13.01.2021): Friedens- und Versöhnungsarbeit seit 75 Jahren
Auszug aus einer Publikation der Hanns-Seidel-Stiftung (2020): Schuld - Vergebung - Integration (Prof. Dr. Rainer Bendel)