Ackermann-Gemeinde startet erfolgreich "themenzoom" und "kulturzoom"

Vorträge, Tagungen, Symposien – jedwede Veranstaltung ist derzeit und bis auf Weiteres aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt oder verschoben. Einzige Alternativen sind Konferenzen via Internet. Diesen Weg startet gestern die Ackermann-Gemeinde mit zwei fortan jeweils dienstagabends stattfindenden Angeboten: dem „themenzoom“ und dem „kulturzoom“ – übertragen, wie der Name es schon andeutet, über den Dienst „Zoom“.

Beim ersten „themenzoom“ am 21. April, zu dem sich ca. 50 Personen aus Deutschland und Tschechien einwählten, stand der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde, Martin Kastler MdEP a.D., zum Thema „Corona-Krise in Tschechien – Eindrücke eines Deutschen in Prag“ Rede und Antwort. Moderator Rainer Karlitschek wies in seinen einleitenden Worten darauf hin, dass nach der Absage der traditionellen Ostertagung der Ackermann-Gemeinde in Eglofs, bei der vom 8. bis 13. April das Thema „Bin ich eigentlich ich oder wir?“ im Mittelpunkt gestanden wäre, einige der Teilnehmer sich per Zoom austauschten und damit die Basis für die jetzigen Internet-Veranstaltungen gelegt wurde.

„Das ist ein Kontakt auf andere Weise. Ich fühle mich so weit entfernt wie seit 30 Jahren nicht mehr“, beschrieb Martin Kastler, der in Prag das Büro der Hanns-Seidel-Stiftung leitet, seine Gefühlslage. Auch die Absage des traditionellen Symposiums in Brünn am Palmsonntag-Wochenende stimmte ihn sehr traurig, stattdessen „waren wir alle in einer Hausisolation zu Hause. Es ist tolles Wetter, aber wir können nicht dorthin, wo wir hin wollen“, so der Bundesvorsitzende. Dadurch werde deutlich, „wie normal offene Grenzen waren“. Zudem habe die Corona-Pandemie zu Änderungen bei den Regierungen geführt – Kastler sprach von „Notstandsgesetzen“ bzw. „Regierungsdekreten“. Für sich persönlich nannte er den noch häufigeren Blick auf das Smartphone, um nachrichtlich auf dem Laufenden zu sein, und das Gerangel um den Computer in der Familie, wo jedes Familienmitglied dieses Gerät nun dringend benötigt.

Die Maskenpflicht, die Moderator Karlitschek ansprach, sei in Tschechien bereits Mitte März, sehr bald nach den ersten Beschränkungen, angeordnet worden – allerdings keine medizinischen Masken. „Jeder nimmt es ernst, auch wenn es nun Lockerungen gibt – beim Radfahren oder Fußballspielen muss keine Maske getragen werden“, berichtete Kastler. Hamsterkäufe wie in Deutschland etwa beim Toilettenpapier habe er in Tschechien nicht oder zumindest nicht in dem Maße wahrgenommen. „Man kann sich in Gaststätten in sein mitgebrachtes Glas frisches Bier zapfen lassen“, stellte der Bundesvorsitzende fest. Schwierig sei die Situation im Tourismus.

Nach der momentanen Stärke der Opposition fragte Matthias Dörr, Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde. In den ersten Wochen habe es, so Kastler, eine weitgehende, 90- bis 95-prozentige Übereinstimmung sowohl bei den Bürgern wie auch den Politikern gegeben. Etwas übertriebene Fakten habe, so Kastlers Meinung, dann der Epidemiologe und Staatssekretär im Gesundheitsministerium Roman Prymula geschaffen, die nun aber der tschechische Innenminister Jan Hamáček wieder zurückgefahren habe. „Es sind zwar Erleichterungen, aber noch nicht genug. Nun gibt es auch kritische Fragen der Opposition zur Wirtschaft, Arbeitslosigkeit und zu den geschlossenen Grenzen. Sicher wird es Leute geben, die Verhältnisse wie vor 1989 gerne hätten – ganz links und ganz rechts“, meinte Kastler und erklärte, dass Tschechien die Grenzen zu allen Nachbarländern geschlossen hat. Nur bei einem triftigen Grund dürften Tschechen ins Ausland reisen.

Solidaritätsaktionen – etwa von Musikern und Künstlern oder der katholischen Kirche – habe es zwar gegeben, „aber nicht so stark wie in Deutschland“, so Kastlers Eindruck. Auch staatliche Unterstützung (Kurzarbeitergeld, Wirtschaftshilfen) werde gewährt, wobei diese besonders für die Automobilindustrie und deren Zulieferer dringend nötig seien. „Die Nähmaschinenproduktion von Schutzmasken ist sehr schnell in Gang gekommen, Nachbarn helfen beim Einkaufen“, schilderte Kastler weiter, nannte aber auch einen großen Unterschied zu Deutschland. „Die Menschen schauen mehr ins Internet und auf E-Commerce-Angebote. Es kam zu einem wahren Boom an Internet-Shops, dieser Boom ging relativ schnell los. Da wird es noch einen Schub geben“, erläuterte der Vorsitzende.

Wie die Sdružení Ackermann-Gemeinde in Tschechien bzw. Prag mit der momentanen Situation umgeht, interessierte Herwig Steinitz. Dazu informierte der neue Geschäftsführer Jaroslav Ostrčilík. „Alle arbeiten im Homeoffice, nur ich fahre fast täglich ins Emaus-Kloster. Die Mitarbeiter des Europäischen Freiwilligendienstes sollen am 18. Mai zurückkommen. Wir haben viele Planänderungen, die Arbeit ist beeinträchtigt, aber es läuft im Rahmen des Möglichen“, gab der Geschäftsführer Auskunft. So wurde auch der Ende Mai vorgesehene Versöhnungsmarsch in Brünn auf den 12. September verschoben.

Bei der Zulassung von Gottesdiensten sei es in Tschechien viel schneller zu einer Lösung gekommen als in Deutschland, antwortete Martin Kastler auf die entsprechende Frage von Rainer Karlitschek. Ab Ende April werden wieder Gottesdienste mit 15 Personen und den bekannten Hygienevorschriften möglich. Kontinuierlich soll die Zahl erhöht werden. Einen Gottesdienst via Zoom feierte Martin Kastler am Sonntag nach Ostern mit, da seine jüngste Tochter heuer Erstkommunion hat – die Feier wurde natürlich verschoben. „Trotz Web-Streams und ähnlicher Angebote freue ich mich darauf, wieder in einen normalen Gottesdienst gehen zu können“, beendete Kastler seine Ausführungen und Eindrücke.

Beim ersten "kulturzoom" trug der tschechisch-münchnerische Chemiker, Schriftsteller und Poetry-Slammer Dr. Jaromir Konečný drei Erzählungen aus seinem neuen, inzwischen 20. Buch „Du wächst für den Galgen“ vor – kurze, lustige Geschichten aus der Zeit des Kommunismus bzw. Sozialismus in der ČSSR. Die Moderation oblag Sandra Uhlich.

Markus Bauer

 

Um die Zugangsdaten für künftige "themenzooms" (dienstags ab 20:15 Uhr) oder "kulturzooms" (dienstags ab 21.30 Uhr) zu erhalten ist eine Anmeldung an info(at)ackermann-gemeinde.de notwendig. Mehr Infos in früherer Meldung (s.u.)

Blick ins Publikum mit Moderator Rainer Karlitschek (oberste Reihe links) und Referent Martin Kastler (oberste Reihe 2. von rechts; Foto: M. Bauer)