Altbunzlau ein Ort der gemeinsamen Verehrung des Landespatrons Wenzel

Seit dem Jahr 2000 ist der Festtag des Heiligen Wenzel am 28. September als "Tag der tschechischen Staatlichkeit" offizieller Feiertag in der Tschechischen Republik. Seit 2003 blickt das ganze Land an diesem Tag auf den Wallfahrtsort Altbunzlau/Stará Boleslav unweit von Prag. Die Spitzen von Kirche und Staat kommen am Ort des Martyriums Wenzels zu einer zentralen Wallfahrt zusammen. Dies war die vorerst letzte Wiederbelebung der Wallfahrt in der wechselvollen Geschichte von Altbunzlau. Diese präsentierte der Kirchenhistoriker Professor Dr. Stefan Samerski am Vorabend des Wenzelfestes im Prager Emauskloster im Rahmen eines Vortrags. Eingeladen hatte die Ackermann-Gemeinde, die zugleich die von ihr herausgegebene Studie Samerskis „Altbunzlau. Ein wiederbelebter Wallfahrtsort“ vorstellte.

„Wenzel war der Landespatron aller Böhmen und nicht ein Nationalpatron“, beschrieb Karel Schwarzenberg die völkerverbindende Bedeutung des Heiligen in seinem einführenden Grußwort. In Anwesenheit einer Gruppe aus der Münchener Ackermann-Gemeinde erinnerte er im Emauskloster daran, dass Wenzel „Schutzpatron aller Böhmen, auch der Deutschböhmen“ war und ist. Er bedauerte dabei, dass der Begriff „Deutschböhme“ heute „leider zu selten verwendet wird“. Für die aktuelle Zeit konstatierte der ehemalige tschechische Außenminister insgesamt einen Rückgang der Verehrung des Heiligen Wenzel. Die Bürger des Landes hätten sich besonders in den Zeiten der Not zu ihm geflüchtet. Schwarzenberg zeigte sich erfreut, dass mit Samerskis Werk in deutscher Sprache die Geschichte des ältesten Wallfahrtsortes in Böhmen vorliegt. Ihn persönlich habe das Buch sehr angesprochen. „Für mich war es eine wunderbar anregende Lektüre“, so Schwarzenberg zum Abschluss seines Grußwortes.

Eine der maßgeblichen Personen, die die Wiederbelebung des Wallfahrtsortes im Jahr 2003 mitbetrieben hat, ist Nina Nováková. Sie stammt aus Altbunzlau und fühlt sich dem Ort dadurch besonders verbunden. Die heutige Abgeordnete des tschechischen Parlaments ist Vorsitzende des lokalen Wallfahrtsvereins. Erklärtes Ziel sei neben der Pflege und Belebung der Wallfahrtsstätten auch die Vermittlung der Tradition an die junge Generation. In den vergangen 5 Jahren hätten über 1300 Schüler das Angebot unter dem Titel „Das Geheimnis der Gotteshäuser“ wahrgenommen. Sie verwies darauf, dass auch heute noch Altbunzlau ein Ort der deutsch-tschechischen Begegnung sei. So trat auch ein Regensburger Chor bei einem Konzert im Rahmen der diesjährigen Wallfahrt auf.

In seinem lebendigen Vortrag zeichnete Professor Samerski die wechselvolle Geschichte des Wallfahrtsortes Altbunzlau nach. Am Anfang stand eine Wallfahrt von Herzog Wenzel zu den Heiligen Kosmas und Damian. Diese endete mit seinem gewaltsamen Tod vor der Kirchentür durch seinen Bruder Boleslav am Morgen des 28. Oktober 935. Die damalige Kosmas- und Damian-Kirche ist heute noch als Krypta der Wenzelskirche erhalten. Im 11. Jahrhundert besann man sich auf den Todesort Wenzels und in der Folge blühte die Wallfahrt in Altbunzlau auf. Der Ort entwickelte sich auch architektonisch zu einem Wallfahrtsort. In der Zeit der Gegenreformation etablierten die Jesuiten durch das Palladium Bohemiae, um welches sich viele Legenden ranken, auch die Marienverehrung. Diese ist bis heute wichtiger Bestandteil des Wallfahrtslebens in Altbunzlau. Samerski spricht gar von einem „Paradigmenwechsel“. Es folgt die Blütezeit der Wallfahrten, wovon auch die prächtige barocke Gestaltung der Marienkirche und die Entstehung von 44 Kapellen auf dem „Heiligen Weg“ von Prag nach Altbunzlau zeugen. Ende des 18. Jahrhunderts beginnt eine Zeit des Niedergangs. Mit der Gründung der Tschechoslowakei 1918 konnte Altbunzlau von einer stark säkularisierten Wenzelsmemoria profitieren. Während der kommunistischen Zeit konnten Wallfahrten nach Altbunzlau nur im geringen Umfang stattfinden, nicht selten überwacht durch den Geheimdienst. Die letzte größere Reaktivierung erfolgte 2003 durch den Prager Kardinal Miloslav Vlk. Samerski wies auf die „Vergesellschaftung von Heiligen“ in Altbunzlau hin. Zudem sei heute mit dem Ort eine Habsburger-Renaissance verbunden, was sich in der Verehrung des Seligen Kaisers Karl I. zeige. Ihm ist eine Seitenkapelle in der Marienkirche gewidmet. Matthias Dörr, Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde, stellte im Anschluss an den Vortrag das Buch „Altbunzlau/Stará Boleslav. Ein wiederentdeckter Wallfahrtsort“ vor. Es enthält neben der Studie von Professor Samerski auch ein Interview mit Kardinal Vlk, in dem er seine eigene Verbundenheit mit Altbunzlau und seine Motivation für die Reaktivierung 2003 darlegt. Besonders hob Dörr die reiche Bebilderung des Bandes vor, „sie macht diese faktenreiche und lebendig erzählte Studie zu einem Buch, das man gerne in die Hand nimmt, durchblättert und liest.“

Neben den beiden Rednern Karel Schwarzenberg und Nina Nováková konnte zu Beginn der ehemalige Kulturminister Jaromír Talíř als stellvertretender Vorsitzender der tschechischen Sdružení Ackermann-Gemeinde weitere Ehrengäste im Emauskloster begrüßen. Unter ihnen war der stellvertretende Leiter der entstehenden Bayerischen Vertretung in Prag Christopher Vickers, Norbert Axmann aus der Deutschen Botschaft und der Pfarrer der deutschsprachigen Gemeinde in Prag Pater Dr. Martin Leitgöb. Besonders freute sich Talíř über die Teilnahme einer Busgruppe der Münchner Diözesan-Ackermann-Gemeinde, die im Rahmen einer Pragfahrt an der Vortragsveranstaltung und an der Wenzelswallfahrt teilnahm. Dies zeige, so Talíř, „dass der Heilige Wenzel weiterhin Tschechen und Deutsche als Landespatron verbindet.“ Er erinnerte daran, dass es ja Tschechen und Deutsche waren, die gemeinsam mit Juden die böhmischen Länder über Jahrhunderte kulturell geprägt haben. „Wenn wir gemeinsam zum Wenzelstag nach Altbunzlau pilgern, knüpfen wir an ein reiches Erbe an. Dieses Erbe müssen wir im Bewusstsein unserer Nationen halten. Denn daraus können wir schöpfen, wenn wir gemeinsam die deutsch-tschechische Nachbarschaft und unsere gemeinsame Zukunft gestalten.“

ag

Am Wenzelstag, im Anschluss an den Wallfahrts-<br/ >gottesdienst überreichten Prof. Samerski (l.) und<br/ >Matthias Dörr (r.) das Buch an Kardinal Duka.