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„Das Gefühl vom Jetzt, vom Moment“ aufnehmen

Geschichtenerzähler Justin Svoboda beim Kultur-Zoom der Ackermann-Gemeinde

Erneut eine ganz besondere Facette kulturellen Tuns bot der jüngste Kultur-Zoom der Ackermann-Gemeinde. Mit Justin Svoboda war ein Storyteller (Geschichtenerzähler) zu Gast, der die an 47 PCs versammelten Zuhörerinnen und Zuhörer mit seinen beiden vorgetragenen Geschichten ebenso begeisterte wie mit seinen Erläuterungen zu diesem Metier.

Zu Svobodas Tätigkeiten gehören auch noch die des Schauspielers und Moderators, wie Sandra Uhlich einleitend verriet. „Storytelling ist das lebendige Erzählen. Es gibt wahrscheinlich nichts menschlicheres als Geschichten zu erzählen“, so die Moderatorin.

Vier Jahre zurückversetzt, wie in der Corona-Zeit, sah sich Svoboda angesichts des Zoom-Formats. „Damals herrschte eine Sucht nach Erzählen“, blickte er zurück. Der Kontakt zur Ackermann-Gemeinde sei vor eineinhalb Jahren in Berlin entstanden, wo vor ihm eine Gruppe von Deutschen und Tschechen stand – darunter die Bundesgeschäftsführerin der Ackermann-Gemeinde Marie Neudörfl.

Mit einer Geschichte für Anfänger aus Indien, in der es um den Ramayana ging, den besten Erzähler aller Zeiten, startete Svoboda sozusagen mit dem Thema selbst in einer Erzählung. Man könne weise werden, wenn man den guten Geschichten des Ramayana zuhört, lautete die Quintessenz dieses Textes.

Durch Zufall sei er zum Geschichte-Erzählen gekommen. Eine Freundin habe ihn zu einem Festival eingeladen, bei dem an einem Abend eine italienische Erzählerin eine kurze Geschichte vorgetragen hat. „Das habe ich gesucht – den Wunsch, in ein Phantasieland einzutauchen“, schilderte Svoboda. Ob er inzwischen ein guter Erzähler geworden ist, ließ er offen – auch angesichts des in diesem Metier bekannten Satzes, wonach der beste Erzähler derjenige sei, der nach der Geschichte vergessen ist. Geholfen habe ihm aber die Schauspielerei, bei der ja auch Figuren geschaffen werden. Beim Erzählen sei aber der direkte Kontakt zu den Zuhörern, zum Publikum wichtig – und natürlich die Stimme. Und natürlich liegt ihm das Erzählen in seiner tschechischen Muttersprache am besten, daneben erzählt er auch in Englisch und Deutsch. Da hat er dann weniger Worte zur Verfügung, um die Bilder der Geschichte zu beschreiben. „Die Geschichte ändert sich mit dem Publikum, mit der Tageszeit, mit dem momentanen Gefühl und mit der Sprache. Es ist kein fester Text. Bei Präsenz des Publikums kommt dessen Reaktion und Gefühl mit hinein“, plauderte er aus dem Nähkästchen. Wichtig ist ihm „das Gefühl vom Jetzt, vom Moment. In jeder Aufführung ist es passiert, dass die Zeit verschwunden ist. Es bringt mir Freude, dass dadurch die Welt ein bisschen ein schönerer Ort wird.“

Auf Uhlichs Frage nach der Art der Geschichten und Texte antwortete der Storyteller, dass man jede Geschichte erzählen könne. Exemplarisch nannte er Karel Čapeks „Geschichten aus der einen und der anderen Tasche“. Eigene Geschichten jedoch stünden nicht im Fokus. „In Tschechien gibt es aktuelle sieben Erzähler. Wir bemühen uns, dieses Metier bekannt zu machen“, erläuterte Svoboda. Erzähl-Kulturen gebe es auch in anderen Regionen der Welt. In Japan seien die Erzähler die Besitzer der Geschichten. In der arabischen Welt – zum Beispiel in Marokko – gebe es Erzählplätze mit 20 bis 30 Erzählern. In Norwegen sei der Erzähler sogar ins Lehrerkollegium integriert, um den Unterricht entsprechend zu gestalten. Und ein Zentrum für Storytelling gebe es in der schottischen Hauptstadt Edinburgh.

Mit der von Svoboda vorgetragenen Weihnachtsgeschichte von Otfried Preußer über den Lehrer Tschiedel, der zum Musterlehrer ernannt werden sollte, endete eindrucksvoll dieser erste und besondere Kultur-Zoom der Ackermann-Gemeinde im Jahr 2025.

Markus Bauer

Ein Teil der Zuhörerinnen und Zuhörer.
Storyteller Justin Svoboda bei seiner ersten Erzählung.
Moderatorin Sandra Uhlich bei der Begrüßung und Vorstellung des Referenten.
Die Kulturarbeit der Ackermann-Gemeinde im Institutum Bohemicum wird gefördert durch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales.