„Den Menschen eine Stimme geben"
Der Journalist Till Mayer schilderte beim AG-Themen-Zoom seine Eindrücke vom Krieg in der Ukraine
Der Krieg in der Ukraine war Anfang April Thema beim monatlichen Themen-Zoom der Ackermann-Gemeinde. Anhand eigener Erfahrungen, ausgewählter Bilder und oft auch von Schicksalen der Menschen beschrieb der Fotograf und Journalist Till Mayer sozusagen das Alltagsgesicht dieses Krieges. An 60 PCs verfolgten Interessierte seine Ausführungen.
Die Fotoausstellung von Mayer unter dem Titel „Donbas - Krieg in Europa“ im Bayerischen Armeemuseum in Bamberg erlangte durch die Entwicklungen seit dem 24. Februar eine ungeheuerliche Aktualität. Im Vorfeld der Ausstellung hatte Mayer von einem „vergessenen Krieg“ gesprochen.
Zu Beginn stellte Moderator Rainer Karlitschek den aus Bamberg stammenden Fotografen und Journalisten kurz vor: Till Mayer ist seit über 25 Jahren als freier Berichterstatter weltweit in Krisengebieten engagiert und arbeitete beispielsweise mit dem Roten Kreuz/Roten Halbmond sowie Handicap International zusammen. Er berichtete aus Krisengebieten in Asien, Afrika und Europa, ist Herausgeber zahlreicher Bildbände, etwa Not (Herausgeber DRK), Roter Winkel, hartes Leben (Herder Verlag), Abseits der Schlachtfelder (Erich-Weiss-Verlag) und Barriere:Zonen (Erich-Weiss-Verlag). Für seine Arbeit wurde er mit vielen Preisen ausgezeichnet, unter anderem mit dem Ehrenzeichen des Deutschen Roten Kreuzes.
Ein besonderes Augenmerk richte er, so Mayer, auf die Dinge bzw. Entwicklungen, wenn sie aus dem Blickwinkel der Medien gewichen sind. Speziell in der Ukraine hatte er bereits im Jahr 2007 ein Projekt über KZ-Überlebende, mit 21 Jahren berichtete er vom Krieg in Bosnien. „Den Menschen eine Stimme geben. Und die Würde des Menschen achten“, lautet das Credo seiner journalistischen Arbeit.
Deutlich machte der Journalist, dass der mit der Annektion der Krim und den Ereignissen in der Ostukraine im Jahr 2014 begonnene Krieg nicht beendet wurde, jedoch außerhalb weitgehend in Vergessenheit geriet. Mayer war in diesen sieben Jahren selbst zwölf Mal an der Front. „Es verging kein Tag, wo nicht gekämpft worden ist“, schilderte er.
Nach einem Auftrag in Afghanistan, wohin Mayer kurz vor der Invasion der russischen Truppen in die Ukraine beruflich musste, kehrte er in die Ukraine zurück und erlebte Zerstörung, Schrecken, Flucht und Traumatisierung – in der UNESCO-Welterbestadt Lemberg und in vielen weiteren Orten und Städten. Anhand seiner Bilder verwies Mayer auf die unzähligen Vertriebenen, die inzwischen entstandene „große Zivilgesellschaft“, die Herausforderungen gerade für alte und kranke Menschen sowie für Kinder und das Leben in Bunkern und Kellern. Und immer wieder Bilder von Menschen und deren Schicksalen, zumal Mayer die handelnden Personen zum Teil schon sehr lange kennt – oder kannte. Denn auch über Tote bei Raketenangriffen oder im Gefecht gefallene Männer musste er berichten. Drei Wochen war der Bamberger Journalist nun in der Ukraine, wobei ihn besonders die Tapferkeit und der Zusammenhalt der Ukrainer beeindruckt haben – trotz der inzwischen fast nur noch terrorähnlichen Angriffe gegen zivile Objekte.
Im Frageteil bzw. der Diskussion beklagte Mayer die „Empathielosigkeit der Leute in Europa seit 2014. Ich frage mich, warum wir so schweigsam gewesen sind“. Daher sei jetzt (und auch mittel- und langfristig) Hilfe, Solidarität und Unterstützung für die Ukraine in jeder denkbaren Form nötig - und „sich zeigen, fühlen als Europäer. Sonst bekommen wir keinen Frieden!“ Für die Ukraine sei Europa, so der Journalist, nicht nur eine Wirtschafts-, sondern in erster Linie eine Wertegemeinschaft. „Die Ukrainer haben keine Lust auf das System Putin“, zumal sich dieser nichts um bestehende Verträge schert und nun seine großrussischen Pläne und Visionen realisieren möchte.
„Viele wollen so schnell wie möglich zurückkehren“, antwortete Mayer auf die Frage nach den Zukunftsperspektiven. Wobei dies natürlich unterschiedlich je nach der Situation des Einzelnen sei. „Für jeden hat der 24. Februar das Leben total auf den Kopf gestellt“, fasste der Referent des Themen-Zooms zusammen.
Markus Bauer