Die dunkle Seite und der Humor gehören zu Kafkas Werk
Kulturzoom der Ackermann-Gemeinde beschäftigte sich mit dem Schriftsteller Franz Kafka
Der Tod Franz Kafkas vor 100 Jahren, konkret am 3. Juni 1924 im österreichischen Kierling, und damit das heuer mit zahlreichen Veranstaltungen in Deutschland, Tschechien, Österreich und weiteren Ländern begangene Kafka-Jahr war auch Anlass für einen entsprechenden Kulturzoom der Ackermann-Gemeinde am ersten Dienstag im Juli. An 42 PCs verfolgten die an diesem Thema Interessierten die Ausführungen von Dr. Zuzana Jürgens zum Thema „Mitten im Kafka-Jahr“.
Die im Kreis der Zuhörerinnen und Zuhörer natürlich bestens bekannte Referentin, die Bohemistin und seit 2019 Geschäftsführerin des Adalbert Stifter Vereins – Kulturinstitut für die böhmischen Länder ist, stellte Moderator Rainer Karlitschek kurz vor. Er verwies auch darauf, dass Jürgens zuvor – von 2009 bis 2014 – Direktorin des Tschechischen Zentrums in München war. Unter anderem ist sie seit 2021 auch Mitglied im Deutsch-Tschechischen Gesprächsforum. Ebenso erwähnte Karlitschek die aktuelle sechsteilige ARD-Serie und inzwischen auch als Hörbücher veröffentlichte Kafka-Werke.
Zunächst gab Jürgens einen Überblick über das Leben des am 3. Juli 1883 in Prag geborenen Schriftstellers. Zunächst musste er im Geschäft seines Vaters mitarbeiten, nahm dann aber das Jurastudium auf und wirkte danach als Jurist erfolgreich in einer Versicherung. Er engagierte sich für den Schutz der Arbeiter, hierfür war er besonders in Nordböhmen unterwegs. Die Freundschaft mit Max Brod führte zum literarischen Schaffen – in einer Zeit des Umbruchs (wachsender Nationalismus und Antisemitismus). Für Kafka, der Deutsch und Tschechisch sprach und auch Hebräisch lernte, wirkte sich das ebenso auf seine Arbeit aus wie sein Befinden, nachdem im Jahr 1917 bei ihm Tuberkulose festgestellt worden war – verbunden mit einem mehrjährigen Leidensweg, der am 3. Juni 1924 endete. Seinem Wunsch, all seine Werke zu vernichten, kam Max Brod nicht nach. Somit ist sein gesamtes Opus inklusive Briefe, Notizen und Tagebücher für die Nachwelt erhalten.
Die Vorbereitungen für das Kafka-Jahr starteten bereits im Jahr 2020 unter anderem mit einer Ausstellung in Pilsen. „Aber weder die deutsche, noch die tschechische Seite fühlte sich für ein Kafka-Jahr berufen“, blickte Jürgens zurück. So entstand die Idee für die in drei Sprachen (Deutsch, Tschechisch, Englisch) verfügbare Plattform „Kafka2024“, um eine Vernetzung und einen Austausch zu schaffen. Für die Schirmherrschaft konnten der tschechische Kulturminister Martin Baxa und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Claudia Roth gewonnen werden. Aktuell sind ca. 40 Orte mit den dort stattfindenden Veranstaltungen enthalten, darüber hinaus gibt es einen Blog mit weiteren Beiträgen, Berichten und Informationen. Aktuell läuft die Sichtung der eingereichten Bilder zum Fotowettbewerb „Franz Kafka – die Verwandlung“. Die besten Fotos werden dann im Herbst 2024 in Prag sowie in Berlin, Wien und Zlín ausgestellt. Erfreut zeigte sich Jürgens über die vielen Kooperationen – auch grenzüberschreitend – aus unterschiedlichen Orten und Bereichen. „Damit wird ein Austausch von Sichtweisen und Blickwinkeln möglich. Das ist für beide Seiten bereichernd“, stellte sie fest. „Die Webseite wird wahrgenommen, gesucht und gefunden. Veranstalter fragen wegen einer Aufnahme auf die Seite an. Die Vielfalt an Veranstaltungen, zum Teil auch ganz kleine, ist sehr beeindruckend“, fasste die Geschäftsführerin zusammen.
Das Thema „Kafka als Schullektüre“ sprach in der Aussprache Moderator Karlitschek an. „Kafka galt immer als schwieriger Autor. Aber man kann auch Humor bei Kafka sehen“, antwortete Jürgens. Sie verwies in diesem Kontext auf humorvolle Theaterinszenierungen, in denen das Absurde und der Witz in Kafkas Werken deutlich werde. Karlitschek fragte auch nach Max Brods Rolle. „Brod hat in die Texte auch eingegriffen, da er ja editorisch tätig war. Aber er hat die Texte gerettet. Ohne Brod hätten wir Kafkas Texte zum größten Teil nicht. Brod ist ein Teil der Geschichte von Franz Kafka“, verdeutlichte Jürgens.
Nach dem Widerspruch zwischen den humorvollen Aspekten und der „dunklen Seite“ – auch angesichts der Lebenssituation – in Kafkas Werk fragte Prof. Dr. Bernhard Dick. „Es gibt beide Seiten, die sich nicht ausschließen. Lange Zeit stand nur das eine im Vordergrund und wurde interpretiert. Es ist beeindruckend und erfreulich, dass nun gezeigt wird, dass bei Kafka auch Raum für Humor, für das Spielerische, Absurde und Witzige ist. Das eine schließt das andere nicht aus“, erläuterte Jürgens.
Die weiteren Wortmeldungen beinhalteten Kafkas Präsenz auf TikTok sowie in Kunst, Musik, Comics usw. „Es gibt eine gewisse Entzauberung von ihm“, merkte die Referentin an, da in den Sozialen Medien manchmal auch der Alltag oder das Privatleben Kafkas zur Sprache kommen. Zur Sprache kamen auch die Möglichkeit, dass es im Bundesarchiv noch irgendwo Texte Kafkas aus dem Bestand seiner letzten Freundin Dora Lask, geb. Diamant, noch geben kann. Da danach bereits mehrfach gesucht wurde, ist die Wahrscheinlichkeit jedoch inzwischen gering. Schließlich ging es um den ganz anderen Stil in der Erzählung „Der Heizer“ bzw. im Roman „Amerika“ und um das Verhältnis Kafkas zu seinem Vater, was – so Jürgens – „eine schwierige Beziehung“ gewesen sei.
Markus Bauer (Text und Fotos)