Ein „Kulturbrückenbauer der Zwischenkriegszeit in Brünn“
Einem heute fast vergessenen deutschen Schriftsteller, Dramatiker, Dichter, Pädagogen, Antifaschisten und Regisseur aus Brünn, nämlich Guido Glück (1882 – 1954), war Anfang Dezember der Kulturzoom der Ackermann-Gemeinde gewidmet. Gut 40 PCs waren dazu online, Jana Urbanovská und Jiří Skoupý aus Brünn brachten diesen auf vielen kulturellen Feldern aktiven Deutschen den weit mehr Interessenten näher.
Die Referenten stellte einleitend Moderatorin Sandra Uhlich kurz vor. Urbanovská ist am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen der Masaryk-Universität in Brünn tätig, wo sie sich unter anderem mit den deutsch-tschechischen Beziehungen beschäftigt. Im Jahr 2021 übernahm sie die Patenschaft für das verlassene Grab von Guido Glück, dessen vielfältiges kulturelles und pädagogisches Wirken durchaus als eine der Brücken zwischen der tschechischen und der deutschen Gemeinschaft in Brünn in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden kann. Skoupý ist ein begeisterter Forscher, Publizist und Dokumentarist. Er studierte Germanistik an der Philosophischen Fakultät in Brünn, beschäftigt sich mit Brünner deutschsprachigen Autoren und mit der Geschichte seiner Geburtsstadt Brünn. Er ist Autor von zwei Büchern und vieler populärwissenschaftlicher Artikel.
Guido Glück gehörte in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts zu den führenden Personen des Brünner Kultur– und Theaterlebens und auch zu den tapferen und treuen Verteidigern der Idee der Tschechoslowakischen Republik. Das stellte Skoupý gleich zu Beginn fest. Glück sei Bestandteil der „Seele Brünns“ gewesen, sein Schicksal gehöre untrennbar zu dem der Stadt Brünn und zu den wichtigsten historischen Ereignissen, die sich vor dem Hintergrund von Brünner Kulissen abspielten und an denen er oft aktiv teilnahm. Das sei bei Glück umso mehr zu betonen, da er sein ganzes Leben in der mährischen Metropole verbracht hat. Das Zusammenleben von Deutschen und Tschechen habe hier, so der Referent, eine „spezielle literarisch-kulturelle Atmosphäre“ geschaffen.
Zunächst skizzierte Skoupý das damalige literarische Leben in Brünn, konkret weitere Schriftsteller und Dichter jener Jahre, besonders Vertreter der deutschsprachigen Literatur. Glück wurde am 7. Januar 1882 als Sohn eines Deutschen und einer Tschechin in Barco in Italien geboren, im Jahr 1885 zog die Familie zurück nach Brünn. In Wien und Graz studierte er Germanistik und Altphilologie, am 3. April 1905 wurde Glück zum Dr. phil. promoviert. Von 1904 bis 1910 war er am Kaiserin-Elisabeth-Kommunal-Obergymnasium in Lundenburg/Břeclav tätig, bis 1925 als Lehrer am deutschen Gymnasium in Brünn, wo er dann aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand trat. Danach wirkte er zunächst vor allem als Dramaturg und Regisseur und stand bis 1933 im öffentlichen Leben Brünns. Trotz der wachsenden Bedrohung aus Deutschland bekannte er sich als Sozialdemokrat und half – mit seiner Lebensgefährtin Emmy Schwarz – nach Brünn geflüchteten deutschen Antifaschisten und aus Rassegründen Verfolgten. Ab 1943 gab er Deutschkurse, die Publikation literarischer oder wissenschaftlicher Beiträge war ihm untersagt – höchstens kurze Artikel in Zeitungen. Als von offiziellen tschechischen Stellen anerkannter Antifaschist und Verfolgter des NS-Regimes wurde er 1945/46 nicht vertrieben, sondern konnte den Rest seines Lebens in der Heimat verbringen. Völlig vergessen starb Glück am 15. August 1954 in Brünn. Mit verschiedenen Dokumenten und Bildern (Schulzeugnis, Schulgebäude, Grab) vertiefte Skoupý die Informationen über Glücks Lebenslauf.
Überaus breit aufgestellt war Glück in seinen Publikationen: Es finden sich journalistische Beiträge, Essays, Romane, Novellen, Dramen, Gedichte und Opern- oder Operettenlibretti und Chöre. Darüber hinaus übersetzte er tschechische Schriftsteller ins Deutsche. Seine Werke erschienen teilweise auch in Zeitungen, so etwa in den Deutsch-mährischen Blättern oder in der Theaterzeitschrift „Die Rampe“. Genannt seien noch pädagogische Beiträge. Bei den Libretti suchte Glück die Kooperation mit ihm bekannten Komponisten. „Als Regionalautor war Glück bekannt, aber hier (bei den musikalischen Werken), besonders mit der Oper ‚Ikdar‘, hat er sein Können überschätzt“, urteilte der Vortragende zu diesem Aspekt. Abschließend ging Skoupý auf Glücks Engagement für das deutsche Theater in Brünn zwischen 1918 und 1939 ein. Er bearbeitete Theaterstücke, schuf szenische Vorspiele und Vorträge und führte Regie. Darüber hinaus gab er Kurse an Volkshochschulen, war in Kontakt mit dem Komponisten Leo Slezak, organisierte „Literarische Abende“ und wandte sich nach 1930 mit einem Brief an Staatspräsident Tomáš Garrigue Masaryk, um diesem die finanzielle Situation des „Bühnenbund in der Tschechoslowakischen Republik“ darzustellen. Mit einigen Details zu Glücks Roman „Narren des Lebens“ und dem Hinweis, dass Glück auch Vaterschaften für jüdische Kinder – zu deren Rettung – übernommen hat, schloss Skoupý seinen ausführlichen Vortrag.
Mit Bildern von Glücks verlassenem Grab leitete Jana Urbanovská ihren Vortrag ein. Im Sommer 2021 hatte sie von der Möglichkeit erfahren, Patenschaften für Gräber zu übernehmen. Schnell entschied sie sich dafür, so dass bereits im September erste Freiwilligen-Arbeiten anliefen. Ein weiterer Baustein war eine öffentliche Sammlung, bei der in 90 Tagen 107.000 Kronen von etwas über 100 Einzelspendern zusammenkamen. „Das Projekt solle einen Teilaspekt der gemeinsamen deutsch-tschechischen Geschichte aufzeigen und den Leuten natürlich über Guido Glück erzählen. Hinter ihm steht die Geschichte des deutsch-tschechischen Zusammenlebens“, führte Urbanovská aus. Inzwischen liegt der Entwurf für das neue Grab vor, aktuell läuft die Prüfung einer Firma hinsichtlich der Umsetzung dieses Entwurfs. „Etwa 40.000 Kronen fehlen noch“, stellte die Referentin fest und bat um weitere Spenden. Im Frühjahr 2024 wird die Arbeit fortgesetzt.
Guido Glück kann, da waren sich zum Schluss Skoupý, Urbanovská und Moderatorin Uhlich einig, uneingeschränkt als „Kulturbrückenbauer der Zwischenkriegszeit in Brünn“ gesehen und tituliert werden.
Markus Bauer
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