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Ein wunderbarer Tag in echter Freundschaft. Rekord für deutsch-tschechisches Picknick

Zwar kein Weltrekord, aber der längste deutsch-tschechische Picknick-Tisch gelang beim deutsch-tschechischen Picknick am 5. August in Taus/Domažlice. Diese Aktion war der Aufmacher der von der Ackermann-Gemeinde und ihrer tschechischen Partnerorganisation Sdružení Ackermann-Gemeinde organisierten Veranstaltung. Denn neben diesem geselligen Aspekt gab es von Mittag bis zum Spätnachmittag mehrere Gespräche zu deutsch-tschechischen Themen sowie kulturelle Beiträge.

Petrus meinte es zunächst nicht ganz so gut. Zwar versuchten die Moderatoren Philipp Schenker und Roman Horák auf der Bühne, den Regen etwas wegzuplaudern. Doch die Grußworte zur Eröffnung waren von Regentropfen begleitet. „Ich bin fest überzeugt, dass das nette und schöne Treffen vom Wetter nicht gestört wird“, setzte Taus’ Bürgermeister Stanislav Antoš den Rahmenbedingungen entgegen und stellte fest, dass er viel über die Ackermann-Gemeinde gehört habe, die er mit kurzen Worten charakterisierte: „Gute Herzen helfen den verletzten Herzen“. Dies sei vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg spürbar gewesen, „als bei uns Unfreiheit herrschte“, so der Bürgermeister. Dieses Gute im Herzen gelte gerade jetzt, „wo in Europa ein Krieg herrscht. Das Knowhow der Ackermann-Gemeinde brauchen wir, vor allem in Osteuropa mit vielen Verletzten und verletzten Herzen“, blickte Antoš auf die Ukraine. Er dankte der Ackermann-Gemeinde für die langjährige Arbeit und den Einsatz für die zwei Länder Deutschland und Tschechien sowie deren Menschen. Der Seelsorger von Taus, Pfarrer Mirosław Gierga, kommt selbst aus Schlesien, ist aber schon lange hier tätig. „Das Zusammenleben der drei Nationen Polen, Deutschland und Tschechien habe ich im Blut. Wie das Zusammenleben künftig von Ukrainern und Russen aussehen könnte, das sehen wir hier“, gab er einen überaus optimistischen Ausblick in die Zukunft.

Sogar der tschechische Staatspräsident Petr Pavel hatte ein Grußwort geschickt, das Dr. Albert-Peter Rethmann, der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde, vorlas und mit viel Beifall quittiert wurde. Für die tschechische Regierung war Martin Dvořák, Minister für europäische Angelegenheiten, vor Ort. Auch er dankte der Ackermann-Gemeinde für die Arbeit, „dass Nationen und Länder sich näher kommen.“ Aus seiner Familiengeschichte ist ihm die Vertreibung bekannt, und er selbst hat erlebt, wie die damaligen Außenminister Jiří Dienstbier und Hans-Dietrich Genscher kurz vor Weihnachten 1989 den trennenden Stacheldraht zwischen den beiden Ländern durchgeschnitten haben. Als Europaminister will er die Basis dafür schaffen, „dass die Konflikte in Europa nicht durch Krieg, sondern durch Verhandlungen und Gespräche gelöst werden“. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine meinte Dvořák: „Wir wünschen den beiden Seiten, dass sie einmal auch in eine Zeit kommen und mit einem langen Picknick-Tisch und gemeinsam feiern.“ Vor allem die Einigkeit Europas ist für den Minister ein wichtiges Signal in Richtung Putin und Russland.

Nach diesen Begrüßungsreden gab Tomáš Hrábek von der Rekord-Agentur „Dobrý Den“ den Startschuss für den Rekordversuch. Um 12.36 Uhr verkündete er das Ergebnis: 387 Leute aus Deutschland und Tschechien hatten sich an der über 100 Meter langen Tafel am unteren Teil des Stadtplatzes zu dem Picknick eingefunden. Das bedeutet einen Eintrag in das tschechische Rekordbuch.

Nachdem sich die Picknick-Teilnehmer gestärkt hatten und auch das Wetter etwas besser wurde, ging es mit dem Programm weiter – mit der ersten Gesprächsrunde zum Thema „Partnerschaften und politische grenzüberschreitende Arbeit“. Unter anderem mit der Stadt Klenci pod Cerchovem/Klentsch pflegt die Stadt Waldmünchen eine Städtepartnerschaft. „Selbstverständlich sind gegenseitige Besuche. Ich genieße die Gespräche mit den Kollegen und bin gerne bei gesellschaftlichen Veranstaltungen, um die Partnerschaft voranzubringen“, stellte Waldmünchens Bürgermeister Markus Ackermann fest. Wichtig für ihn wäre eine Institutionalisierung der Kontakte zwischen Einrichtungen, die sich in diesem Feld engagieren. Mit Blick auf die Vertreibung der Deutschen und den vier Jahrzehnte währenden Eisernen Vorhang zeigte sich Franz Former, 3. Bürgermeister der Stadt Furth im Wald, die eine Städtepartnerschaft mit Taus hat, erfreut, dass sich die Beziehungen normalisiert haben, „die Menschen beiderseits der Grenze wieder aufeinander zugehen können“. Auch die Möglichkeit, sich auf allen Ebenen treffen zu können (vom Kindergarten und der Schule bis zur Polizei und Feuerwehr), bietet für ihn die Chance, „in Friede und Freundschaft miteinander zu leben“. Der aus der Region Taus stammende und in Taus lebende Hauptmann des Pilsner Kreises Rudolf Špoták verwies auf mehrere Partner in Deutschland, am stärksten sei aber die Kooperation mit der Oberpfalz. „Die Partnerschaft ist auf einem sehr guten Weg, beide Regionen bringen sich stark ein“, betonte er. Miteinander angepackt würden Themen wie Digitalisierung sowie ökologische Aspekte. Weiterhin als zentrale Aufgabe sieht er die Verbesserung der Bahnverbindung zwischen Prag und München, die in vier Stunden möglich sein sollte. Die von Špoták angerissenen Themen griff auch Florian Luderschmid, Regierungsvizepräsident der Oberpfalz (ab September Regierungspräsident von Oberfranken) auf. Er nannte aber auch weitere wirtschaftliche Themen (Arbeits- bzw. Fachkräftemangel) und die enge Zusammenarbeit von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei im grenznahen Raum. „Nur so funktioniert das Zusammenwachsen“, fasste Luderschmid zusammen. Er wies aber auch geselligen und kulturellen Veranstaltungen wie diesem Picknick eine große Bedeutung zu.

Die zweite Gesprächsrunde – sogar mit fünf Teilnehmern - widmete sich der Thematik „Schulpartnerschaften und außerschulischer Jugendaustausch“. Hier schilderte zunächst Kamila Novotná, Projektmitarbeiterin beim Münchner Diözesanverband der Ackermann-Gemeinde, den Weg zum ersten Tschechisch-Abitur in Bayern. Ausschlaggebend war ihre Tochter, die diesen Wunsch ins Spiel brachte. Daher setzte sie sich dafür ein, Tschechisch als Abiturfach zu fördern. Dazu mussten zum einen eine Lehrkraft, zum anderen genügend Interessenten gefunden werden. Letztlich gab es eine Ausnahmeregelung, so dass in München dieses Projekt für acht Schüler bewilligt wurde, die im Frühsommer erstmals Abiturprüfungen in Tschechisch als Fremdsprache ablegten. Die tschechische Sprache unterrichtet am Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium in Cham Dr. Thomas Scheubeck – als Wahlfach. „Die Schüler dafür zu motivieren ist ein sehr hartes Geschäft“, drückte er seine Erfahrung aus. „Tschechisch müsste man als ganz normales Fach institutionalisieren“, forderte der Gymnasiallehrer, der sich aber nicht entmutigen lassen will. Die Bedeutung von Kultur, Kunst und Musik beim deutsch-tschechischen Austausch von Kindern und Jugendlichen betonte Josef Kuneš, der Direktor der Jindřich-Kunstschule in Taus. „Diese Aspekte sollten immer mit einbezogen werden, auch tänzerisch-dramatische Elemente. Kulturschaffen, gemeinschaftliche Aktionen verbinden“, vertiefte Kuneš. Die Stellung von Tandem, des Koordinierungszentrums für den deutsch-tschechischen Jugendaustausch, beschrieb Lucie Tarabová, Tandem-Leiterin in Pilsen. Neben den von Kuneš genannten Punkten verwies sie auf den Sport, alle Betätigungen seien bei Tandem gefragt – vor allem die Nutzung beider Sprachen. Über die Sprachen hinaus versteht die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde ihr Wirken und ihre Angebote. Für die Bundessprecherin Theresia Bode heißt das, „sich gegenseitig zu verstehen, Verständnis für den anderen und dessen Kultur zu gewinnen – letztlich Räume zu schaffen, wo die Sprache keine Rolle spielt.“

Aller guten Dinge sind bekanntlich drei – die dritte Gesprächsrunde bestritten Akteure, die grenzüberschreitend tätig sind. Der freie Journalist Karl Reitmeier aus Furth im Wald stellte bedauernd fest, dass in Zeitungen die Berichterstattung über grenzüberschreitende Aktionen seit der Corona-Pandemie etwas rückläufig sei, man aber im Internet und über das Centrum Bavaria Bohemia (CeBB) gut informiert werde. Die CeBB-Leiterin Dr. Veronika Hofinger stellte zwar positive Entwicklungen unmittelbar beiderseits der Grenze (z.B. Schul- und Gemeindepartnerschaften) fest. „Die Zusammenarbeit könnte aber noch mehr sein. Bayern und Tschechien verbindet so viel, dass man auch weiter entfernt noch Interesse an einer Zusammenarbeit haben könnte“, schlug sie vor. Basis sei jedoch die Überwindung der Sprachbarriere. Die Bedeutung besonders der Erinnerungskultur und der gemeinsamen Geschichte von Deutschen und Tschechen hob Dr. Wolfgang Schwarz, Kulturreferent für die böhmischen Länder im Adalbert Stifter Verein, hervor. Diese Faktoren hätten sich in den letzten 20 Jahren gut entwickelt. Die lokale und regionale Geschichte hat sich das Projekt Hindle vorgenommen, worüber Projektkoordinatorin Kristýna Pinkrová berichtete. Der Verein „Das Chodenland lebt“ steht hier dahinter und wendet sich vor allem an Kinder und Jugendliche – mit Vorträgen, Exkursionen, Forschungsprojekten - also mit einem praktischen Geschichtsunterricht. Klar und deutlich für sehr einfache Formate des miteinander Zusammenkommens sprach sich Pablo Schindelmann, Geschäftsführer der kürzlich zu Ende gegangenen Freundschaftswochen Selb 2023, aus. „Jede Seite wird von verschiedenen Medien informiert. Daher brauchen wir niederschwellige Angebote“, so Schindelmann. Er schlug vor, grenzüberschreitende Aktivitäten auf Ebene der Euregio fortzusetzen.

Zwischen den Grußworten und den Gesprächsrunden gab es natürlich musikalische und kulturelle Beiträge. So spielte die heimische Gruppe „Konrádyho dudácká muzika“ zünftig auf, ebenso die Volksmusikgruppe des Rohrer Sommers. Eine Premiere gab es auf dem literarischen Segment: die tschechischen Texte des Poetry Slamers Miloslav Antoš trug  Roman Horák in deutsche Vers- und Reimform übertragen vor. Das grenzüberschreitende Theaternetzwerk für Jugendliche Čojč klärte über sprachliche Parallelen auf, und zum Tanzen animierte schließlich die Volkstanzgruppe des Rohrer Sommers. Nicht fehlen durfte in Taus/Domažlice natürlich das für diese Stadt bzw. das Chodenland bekannte Lied „Žádnej neví co sou Domažlice“ bzw. „Koana woaß des, wos is Domaschlitze“, diesmal mit einem neuen, auf die Ackermann-Gemeinde abgestimmten Text von Christoph Mauerer, der gleichermaßen bei der Ackermann-Gemeinde wie auch bei der Sdružení Ackermann-Gemeinde aktiv ist. Er selbst ließ es sich nicht nehmen, als Stimmführer zu agieren. Die Gruppe „Konrádyho dudácká muzika“ und das Volksmusikensemble des Rohrer Sommers begleiteten klangvoll.

„Ein wunderbarer Tag“ sei dieses Picknick gewesen, stellte zum Abschluss Albert-Peter Rethmann in seinen Dankesworten fest. Er sprach allen, die diese Veranstaltung möglich machten, großen Dank aus. Dass hier „einfach Freundschaft gilt“, sei deutlich spürbar gewesen, so der Bundesvorsitzende.

In Taus konnten auch die Ausstellungen „Achtung, Grenze!“ und „Verblichen, aber nicht verschwunden“ besichtigt werden. Teilnehmer des Rohrer Sommers präsentierten darüber hinaus das Schattentheater „Feuervogel“ und ein klassisches Konzert.

Markus Bauer (Text und Fotos)

Moderatoren
Sie führten von Mittag bis zum Spätnachmittag durch das Programm: Roman Horák und Philipp Schenker.
Personen auf Bühne
Die ersten Grußworte sprachen Taus’ Bürgermeister Stanislav Antoš (Mitte) und der örtliche Seelsorger Pfarrer Mirosław Gierga (rechts neben Antoš).
Dr. Albert-Peter Rethmann und Martin Dvořák
Der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde Dr. Albert-Peter Rethmann las das Grußwort des tschechischen Präsidenten Petr Pavel vor. Martin Dvořák, tschechischer Minister für europäische Angelegenheiten, sprach ein Grußwort.
Lange Picknicktafel auf Marktplatz in Taus
Blick auf den über 100 Meter langen Picknick-Tisch.
Musiker
Auch die Volksmusikgruppe des Rohrer Sommers spielte auf.
Konrádyho dudácká muzika
Gehört in Taus/Domažlice dazu: Chodische Musik der Gruppe „Konrádyho dudácká muzika“.
Die Teilnehmer der ersten Gesprächsrunde. Von links Waldmünchens 1. Bürgermeister Markus Ackermann, Furths 3. Bürgermeister Franz Former, der Hauptmann des Pilsner Kreises Rudolf Špoták, Regierungsvizepräsident der Oberpfalz Florian Luderschmid.
Gewinnspiel
Am Stand der Jungen Aktion der Ackermann-Gemeinde gab es auch etwas zu gewinnen.
Volkstanz
Ein Tänzchen in Ehren kann niemand verwehren.
Podiumsgespräch
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Gesprächsrunde zum Thema „Schulpartnerschaften und außerschulischer Jugendaustausch“. Von links: Dr. Thomas Scheubeck, Kamila Novotná, Josef Kuneš, Lucie Tarabová, Theresia Bode, Moderator Philipp Schenker.
Gruppe Čojč
Mit den zwei Sprachen – Deutsch und Tschechisch – befassten sich die Aktiven von Čojč.
Podiumsgespräch
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gesprächsrunde „Grenzüberschreitende Aktivitäten“. Von links Kristýna Pinkrová, Dr. Wolfgang Schwarz, Karl Reitmeier, Dr. Veronika Hofinger, Pablo Schindelmann.