Engel werden - Weihnachtsgruß 2018
Mit einem Weihnachtsgruß wendet sich Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Seelsorge an den Vertriebenen und Aussiedlern, an die Mitglieder und Freude der Ackermann-Gemeinde. In diesem ermutigt er dazu, Engel zu werden:
Jugendliche werden in einer bolivianischen Schnitzwerkstatt in der alten Tradition der indigenen Bevölkerung und der Jesuitentradition, die es etwa 200 Jahre in Bolivien gab, ausgebildet. Zu den Kunstwerken, die dort hergestellt werden, gehören auch Engeldarstellungen. Auf einem Tisch lagen Schnitzereien in verschiedenen Fertigungsstufen. Als Gastgeschenk bekam ich einen fertigen Engel, der jetzt in meinem Wohnzimmer einen Ehrenplatz hat.
Am Weihnachtsfest erinnern wir uns an den Gesang der Engel in Bethlehem, den die Hirten auf den Feldern gehört haben. Die Engel weisen auf den Ort der Geburt Jesu hin und singen das Lob Gottes, das wir im Gottesdienst durch das Gloria und andere Gesänge aufnehmen und mit unseren menschlichen Stimmen den Bewohnern der Welt heute vermitteln. Dabei werden wir trotz aller Anstrengung immer feststellen müssen, dass unser Gotteslob die Qualität des Gesangs der Engel nicht erreichen kann. Unser Gotteslob ist Ausdruck für unsere ganze menschliche Situation: Wir sind im Werden. Wir sind auf dem Weg. Wir sind im Wachstum.
Die drei Engel in der Schnitzwerkstatt von Conception haben mich an das notwendige Wachstum von uns Menschen erinnert. Mancher von uns ist noch in einem Rohzustand, aber man erkennt schon, was daraus werden soll. Mancher hat schon „Farbe“ angenommen oder „Farbe bekannt“. Er hat schon mitgeteilt, was sein Anliegen ist, wenn sein Leben von der Botschaft des Evangeliums geprägt wurde. Manchem fehlen nur noch die Augen, um klar zu sehen, wohin sein Weg geht oder um auch anderen Menschen den Weg zeigen zu können. Wenn ich mir die Berichte der Heiligen Schrift ansehe, dann sind es ja Zeugnisse von Menschen, die auf dem Weg sind: angefangen von Abraham bis zu den Aposteln. Da gibt es immer wieder die Lichtblicke wie bei Petrus, Jakobus und Johannes auf dem Berg Tabor und da gibt es auch die Angstsituationen und Verleugnungen in der Passionsgeschichte. Bei den Schnitzereien wissen wir in etwa, was noch fehlt. Auch bei uns ahnen wir, wenn wir bei der Beichtvorbereitung unser Glaubensleben anschauen, wo es noch Fehlstellen und Unvollkommenheiten gibt. Wenn uns die Gotteserkenntnis und das Gotteslob wichtig geworden sind, werden wir uns auch um ein gutes Wachstum unserer Darstellung als Boten Gottes sorgen.
Die Weihnachtstage sollen uns helfen, die Freude am Kommen Gottes in die Welt neu und tiefer zu spüren, wie sie im Gesang der Engel ausgedrückt wird. Der Besuch von Weihnachtsgottesdiensten dient dazu, den Ursprung des Festes klar in den Blick zu nehmen. Damit sind wir denen ein Stück voraus, die allein von den Weihnachtstraditionen leben, ohne die Botschaft der Engel zu kennen. Das sehe ich als einen großen Mehrwert an. Diesen Mehrwert sollen natürlich auch alle anderen Menschen kennenlernen, denn es handelt sich ja um eine „Botschaft für die Heiden“, wie es schon im Lobgesang des greisen Simeon heißt: Das Kind - „ein Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2, 32).
Wenn wir in diesen Weihnachtstagen Engeldarstellungen in großer Vielfalt sehen sollte in uns die Frage lebendig werden: Was sieht mein Gotteslob aus? Ist es vergleichbar mit dem der Engel? Habe ich Freude am Wachstum in der Liebe zu Gott, zu der uns die Engel locken wollen?
Ich wünsche allen Freude am Gesang der himmlischen Heere und Sehnsucht, einmal mitsingen zu dürfen: in dieser Lebenszeit schon mit viel Mut zur Unvollkommenheit, und in der Ewigkeit mit klarem und hellem Klang.
+ Weihbischof Dr. Reinhard Hauke
Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz
für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge