Erinnerung an den Holocaust als Warnung für die Zukunft

Gruppe tschechischer Holocaust-Überlebender zu Gast bei der Ackermann-Gemeinde in München

Es war ein nicht alltäglicher Besuch, den die Ackermann-Gemeinde am 22. September in ihren Räumen in München willkommen heißen durfte. 14 tschechische jüdische Überlebende der Konzentrationslager des Nazi-Regimes kamen zu einem Begegnungstreffen. Auf Einladung des Maximilian-Kolbe-Werkes waren sie für zwei Wochen in München. Das Programm beinhaltete Empfänge, Besichtigungen, Ausflüge, Begegnungen und Gespräche.

In seiner Begrüßungsansprache, die er mit tschechischen Worten eröffnete, schilderte der frühere Bundesvorsitzende Dr. Walter Rzepka die Beweggründe, die zur Gründung der Ackermann-Gemeinde 1946 führten: humanitäre Hilfe für die Vertriebenen in der Zeit der Not, Aufbau eines friedlichen Europas und Verzicht auf Rache als Voraussetzung für eine Annäherung. Dr. Rzepka ging ferner auf die zahlreichen Initiativen und Erklärungen ein, mit denen sich die Ackermann-Gemeinde und die Kirchen für eine Verständigung in der Mitte Europas einsetzten. Auch verwies er auf zahlreiche Institutionen in Tschechien aus dem weltlichen und kirchlichen Bereich, mit denen der Verband in Verbindung und Austausch steht und konnte den Gästen von einigen Projekten berichten, die der Erinnerung und dem Gedenken an Kultur und Schicksal der Juden in Böhmen dienten. Nach den Ausführungen von Dr. Rzepka zeigten die Gäste, die zum großen Teil fließend deutsch sprachen, mit ihren Fragen reges Interesse an der Arbeit der Ackermann-Gemeinde. Sie scheuten sich auch nicht, im Rahmen einer Vorstellungsrunde von ihrem Leidensweg, der sie mitunter in mehrere Lager führte, zu erzählen. Sie waren zum großen Teil noch Kinder, als sie Theresienstadt, Auschwitz, Bergen-Belsen und andere Stätten der Unmenschlichkeit erleben mussten. Unter den Gästen war auch die Vorsitzende des tschechischen Ausschwitz-Komitees Marta Kottová aus Liberec/Reichenberg.

Michal Salomonovič aus Ostrava/Ostrau eröffnete als Sprecher der Besuchergruppe das intensive Gespräch über das Erinnern und über Wege zu einer deutsch-tschechischen Versöhnung. Ein Teilnehmer berichtete von seinen Gefühlen, die er bei einem ersten Besuch Mitte der 50er Jahre in Deutschland hatte. Unentwegt geisterte ihm die Frage durch den Kopf, was die Menschen, die er traf, wohl vor 1945 getan hätten. Durch zahlreiche Begegnungen, unter anderem im Rahmen von Zeitzeugengesprächen in Schulen, habe sich sein Blick auf die Deutschen verändert. Der Historiker Dr. Otfrid Pustejovsky erinnerte daran, dass nach 1938 viele Sudetendeutsche selbst zu Opfern des Nationalsozialismus wurden. Er ging auf den sozialdemokratischen und christlichen Widerstand ein. Mehrfach wurde betont, wie wichtig die Erinnerung an die Verfolgung und die Vernichtung der Juden sei, um zu verhindern, dass das, was sie selbst erleben mussten, nochmals passiert. Hierzu dienen neben Besuchen und Begegnung in ehemaligen Konzentrationslagern vor allem Gespräche in Schulen, für die sich einige als Zeitzeugen in Tschechien und Deutschland zur Verfügung stellen. Auch die Nachkriegsereignisse und die Vertreibung der Sudetendeutschen wurde von den tschechischen Holocaust-Überlebenden in die Diskussion eingebracht. Einigkeit herrschte darüber, dass die Anwendung von Kollektivschuld, wie sie auch gegenüber den Deutschen 1945 und 1946 angewandt wurde, immer Unrecht sei. Zum Abschluss betonte Herbert Meinl, der die Gäste während ihres Aufenthaltes betreute, dass Verzeihen zu echter Freiheit führe. Seiner Überzeugung nach sei die Begegnung in der Heßstraße ein besonderer Höhepunkte innerhalb des Besuchsprogramms gewesen.

Bei dem Imbiss, zu dem die Ackermann-Gemeinde einlud, bot sich die Gelegenheit, beim Gespräch in kleiner Runde, Erfahrungen und Gedanken auszutauschen.

 

Lothar Palsa

Foto: Claudia Zwerger

 

Dr. Walter Rzepka und Michal Salomonovič