Erklärung: Menschen auf der Flucht schützen

Angesichts der aktuellen Nachrichten über die Situation von Geflüchteten an der EU-Außengrenze hat der Bundesvorstand der Ackermann-Gemeinde bei seiner Sitzung am 23.10.2021 in München folgende Erklärung verabschiedet:

 

Hintergrund:

Ende 2020 lag die Zahl der Menschen, die aufgrund von Verfolgung, Konflikten, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen weltweit auf der Flucht waren, bei 82,4 Millionen – 34,4 Millionen geflüchtete Menschen und Asylsuchende waren außerhalb des Herkunftslandes, 48 Millionen als Binnenvertriebene in ihren Staaten auf der Flucht. Allein 42 Prozent davon sind Mädchen und Jungen unter 18 Jahren.

Flucht und Vertreibung sind Teil der Familiengeschichte vieler Menschen in der Ackermann-Gemeinde. Manche Eltern oder Großeltern können noch erzählen, was es während oder nach dem 2. Weltkrieg bedeutete, die eigene Heimat verlassen zu müssen, Vertreibung, Flucht, Gewalt und den Neubeginn erlebt zu haben. Auch danach wurden Millionen Frauen, Männer, Familien unterschiedlichster Volksgruppen und Staatsangehörigkeiten unter physischem und psychischem Druck weltweit, auch in Europa, heimatlos und entwurzelt.

Oft haben diese Menschen einen offiziellen Schutzstatus bekommen, das heißt, sie sind staatlicherseits als Flüchtlinge anerkannt worden. Nach der Genfer UN-Flüchtlingskonvention (GFK), die 1951 nach den Erfahrungen des fehlenden Schutzes, u.a. für Menschen auf der Flucht vor den Nationalsozialisten, verabschiedet wurde, können damit Flüchtlinge auf Aufnahme hoffen, die „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung“ (GFK Art.1, A 2.) Asyl suchen.

Durch die GFK haben Flüchtlinge das Recht...

• nicht ausgewiesen zu werden, außer unter bestimmten, streng definierten Bedingungen (Art. 32)

• auf Wohnraum (Art. 21)

• auf Zugang zu Gerichten (Art. 16)

• nicht für die illegale Einreise in das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates bestraft zu werden (Art. 31)

• auf Bildung (Art. 22)

• auf öffentliche Hilfe und Unterstützung (Art. 23)

• auf Bewegungsfreiheit innerhalb eines Gebietes (Art. 26)

• auf Arbeit (Art. 17 und 19)

• auf Religionsfreiheit (Art. 49)

• auf die Ausstellung von Identitäts- und Reisedokumenten (Art. 27 und 28)

Darüber hinaus ist das Recht auf Asyl in Artikel 18 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) verankert. Gemäß Artikel 19 GRCh sind Kollektivausweisungen nicht zulässig, auch darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen Behandlung besteht. Die europäischen Staaten haben sich auch durch die Europäische Menschenrechtskonvention verpflichtende Normen gegeben.

 

Wir müssen feststellen:

Mit den zunehmenden Flüchtlingszahlen werden diese internationalen und europäischen Konventionen, insbesondere durch rechtspopulistische Parteien und Bewegungen, immer offener und lauter in Frage gestellt. Das Menschenrecht auf Asyl und Schutz von Menschen in Not sehen wir heute auch in Europa mehrfach massiv missachtet und vielerorts vorsätzlich verweigert.

 

Dafür stehen wir:

Dieses Recht auf Hilfe ist aber ein unverzichtbares Element der europäischen Identität, die auf dem gemeinsamen christlich-jüdischen und humanitären Erbe seiner Völker aufbaut.

Für dieses Erbe und damit auch für den Schutz bedrohter Menschen treten wir als Europäerinnen und Europäer entschieden ein.

Wir engagieren uns als Christinnen und Christen in unseren Städten, Gemeinden und als Gemeinschaft in zivilgesellschaftlichen Initiativen, um Menschen auf der Flucht zu schützen, ihnen ein würdiges Leben zu ermöglichen und damit die Chance für eine bessere und sichere Zukunft zu geben.

 

Wir fordern ein:

Wir fordern von allen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen, Organisationen und Einrichtungen auf nationaler und europäischer Ebene, bei allem staatlichen Handeln die uneingeschränkte Achtung und die Einhaltung der Bestimmungen und Regelungen der Genfer Flüchtlingskonvention, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Wir fordern alle Frauen und Männer in politischen und gesellschaftlichen Institutionen auf, sich auf allen Ebenen aktiv dafür einzusetzen und sicherzustellen, dass Menschen auf der Flucht geschützt werden, ihnen geholfen wird und mit ihnen menschenwürdig, fair und respektvoll umgegangen wird.

 

Erklärung des ZdK

Der Antrag „Menschen auf der Flucht schützen“ wurde auf Initiative der Ackermann-Gemeinde auch bei der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) eingebracht. Martin Kastler erläuterte diesen in Berlin. Mit einigen Ergänzungen wurde die Erklärung mit großer Mehrheit angenommen.

Die Erklärung des ZdK im Wortlaut: Menschen auf der Flucht schützen (ZdK-Homepage)