Frieden und Versöhnung weltweit

Eine ganzheitliche Auseinandersetzung mit Frieden, Gewalt und Versöhnung in der Welt hat sich das Rohrer Forum der Ackermann-Gemeinde bei ihrer diesjährigen Bildungsveranstaltung für Familien und Singles zum Thema gemacht. Namhafte Referenten kamen zu Wort: Der Europaabgeordnete Manfred Weber, der Jerusalemer Friedensaktivist Georg Roessler und der orthodoxe Erzpriester Vladyslav Mishustin aus Eichstätt.

„Lässt der allmächtige Gott uns hängen?“ Das war die Frage, mit der die Teilnehmer des Rohrer Forums konfrontiert wurden und die ein theologisches Dilemma deutlich machte. Wie kann Gottes Allmacht in Verbindung gebracht werden mit der Erfahrung des Menschen von Bosheit, Gewalt und Rechtlosigkeit?

Der Referent Georg Roessler aus Jerusalem spannte einen weiten Bogen: über die Römer, die über die Potestas (Herrschaftsgewalt) einen Rechtsgedanken entwickelten, der eine solche Bedeutung hatte, dass es dafür sogar eine eigene Gottheit gab: Justitia. Er erklärte die Rechtstradition in der arabischen Welt, die sich ganz an den Lebensformen Mohammeds orientierte (Hadid) und beschrieb den Gott des jüdisch-christlichen Weltbildes als Einen, der uns begleite und uns als Individuum ernst und wichtig nehme. Doch auch dieses Gottesbild wandelte sich im Laufe der Zeit. Gott sei zum Weltenkönig und Weltenrichter geworden, er musste sich rechtfertigen (Theodizee) und kam doch nicht mit seiner Allmacht herab. Er erschien zu keiner Jahrtausendwende – und die Welt blieb ungerecht, skizzierte Roessler. Mit Montesquieu (1689-1755) sei die Idee der Gewaltenteilung zum Durchbruch gekommen. Damit sei die Potestas, die Gewalt „von oben“ aufgebrochen, die Machtverteilung ausbalanciert und der Mensch „von unten“ geschützt worden. Roessler berichtete, dass lange angenommen wurde, der Mensch sei schon böse erschaffen worden. Dagegen hieße es in der Bibel (Gen. 1,31): „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut.“ Konrad Lorenz beschrieb 1936 den Aggressions(Gewalt)-Instinkt des Menschen sogar als eine Grundvoraussetzung für das Überleben! Aus dieser Perspektive betrachtet sei jeder Einzelne persönlich in die Pflicht genommen. „Gott ist vorausgegangen, hat jedem „Tipps“ und einen guten „Baukasten“ geschenkt und damit alle Voraussetzungen für ein Leben in Frieden und Versöhnung“, so Roessler. An vielen Beispielen aus der Bibel machte er deutlich, dass wir zur Entfeindung zwischen den Menschen und zur Deeskalation aufgerufen und in der Lage seien und dass es einen „Heiligen Krieg“ in Gottes Namen nicht gebe. Nach Roessler laute Gottes klarer Auftrag: „Wähle also das Leben, damit du lebst, du und deine Nachkommen“ (Dt. 30,19).

Am Phänomen des Mobbings analysierte Roessler in einem Workshop die Psychologie des Gewaltopfers, des Täters und der Gruppe. In eindrucksvollen Rollenspielen wurden Leid und Widerstand erfahrbar gemacht und „die Maske des Bösen“ entlarvt.

Kritisch und  besorgt hinterfragte der orthodoxe Erzpriester Vladyslav Mishustin, Eichstätt, die kirchliche und politische Situation in der Ukraine. Geschichtlich bedingte Vielfalt und die Verflechtung verschiedener Interessen seien die Ursache für die Spaltung der christlichen Kirchen. Die unruhigen Zeiten in Kirche und Staat dauerten an, ein ökumenischer Friede müsse erst wachsen und die Kirchen begännen nur langsam, sich den Herausforderungen der heutigen Zeit zu stellen. Eine gute Bildung der Priester sei dafür ein zentraler Schritt, hob er hervor.

„Die große historische Leistung Europas ist die Überwindung des Hasses“, stellte der niederbayerische CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber fest und legte allen nahe, diesen Erfolg nach außen zu tragen. Es gäbe schon eine zweite Generation, die Europa in Frieden erlebt. Trotzdem sei die EU kein Selbstläufer, das zeige die Zunahme der rechtsextremen Parteien in fast allen europäischen Ländern. Nach Weber sei aber auch Geduld gefragt. Die EU-Entwicklung sei immer evolutionär, nicht revolutionär gewesen. Sein Fazit: „Um unsere Welt positiv mit gestalten zu können, kann Europa nur als Einheit fungieren, auch und besonders in Krisenzeiten.“

Die Veranstaltung wurde vom Katholischen Fonds für weltkirchliche Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit, München, gefördert.

Manfred Weber MdEP (r.) in der Diskussion.