Für eine Vielfalt in der Kirche und der Positionen

Auch im neuen Jahr bietet die Ackermann-Gemeinde jeweils am ersten Dienstag im Monat ihre Zoom-Veranstaltungen, zumal im aktuellen und sicher noch einige Wochen dauernden Lockdown reale Treffen nicht möglich sind. Der erste Themenzoom 2021 am Vorabend des Dreikönigstages war dem Thema „Der Spagat in der Katholischen Kirche: zwischen dem Geist des Aufbruchs und alten Strukturen“ gewidmet. Referent war der Journalist Matthias Drobinski, seit 1997 Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung mit dem Schwerpunkt Religionsgemeinschaften. 72 PCs mit rund 100 Gästen waren zugeschaltet.

Eigentlich war Drobinski bereits im Dezember als Vortragender vorgesehen. Damals musste er aber kurzfristig nach Trier, um aktuell über die Amokfahrt dort, die fünf Menschenleben kostete, zu berichten. Moderator Rainer Karlitschek stellte den aus Hessen stammenden Matthias Drobinski kurz vor, der unter anderem bereits bei der Zeitschrift „Publik Forum“ tätig war und zusammen mit Thomas Urban das Buch „Johannes Paul II.: Der Papst, der aus dem Osten kam“ geschrieben hat. Einleitend verwies Karlitschek auf die am 4. Oktober 2020 von Papst Franziskus veröffentlichte Sozialenzyklika „Fratelli Tutti“ sowie auf die Reaktionen darauf in unterschiedlichen Teilen der Welt und auf die im letzten Jahr zentralen Themen wie die Seelsorge in der (Corona-)Krise, den Beginn des Synodalen Wegs sowie die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs. Diese Aspekte waren sozusagen Anknüpfungspunkte für Drobinski Ausführungen.

„Es hat sich viel in den letzten Jahren getan. Nur nehmen wir manchmal nicht mehr wahr, wie es sich verändert hat“, fasste der SZ-Redakteur seine Erfahrungen und Eindrücke der jüngsten Zeit zusammen. Besonders bringt er dies in Zusammenhang mit dem derzeitigen Papst Franziskus, bei dessen Papstwahl Drobinski dabei war. „Ein betont einfacher Papst“, der Wert darauflege, dass die Kirche für die Menschen da ist und sich den Menschen zuwendet, vor allem den Einsamen, Kranken und Menschen mit anderen Nöten. Ebenso machte der Journalist auf die Vielfalt der katholischen Kirche in der Welt aufmerksam, die unter den Päpsten Johannes Paul II. und Benedikt XVI. weniger betont worden sei. „Da ist sehr viel los, es laufen kontroverse Diskussionen, es ist aber keine Kakophonie oder ein Streit“, beschrieb Drobinski die Situation. Und er verdeutlichte, dass Papst Franziskus bei einigen Themen zumindest die Türen zur Debatte geöffnet hat. „Die Diskussionen vollziehen sich vor allem anhand der Dokumente. Da ist dann Platz für die Nationalkirchen und für die Entwicklung von Pluralität“, fasste er diesen Themenkomplex zusammen, ergänzt von dem Hinweis, dass Papst Franziskus grundsätzlich weniger Interesse an Strukturen zeige.

Viele Veränderungen konstatiert Drobinski auch der katholischen Kirche in Deutschland. Vor allem sei angesichts der Missbrauchsskandale nun eine Generation aktiv, „die sagt, so geht es nicht mehr weiter“. Nachdenklichkeit und Eingeständnis von Fehlern würden auch Bischöfe zeigen, was auch ihre Glaubwürdigkeit fördert. Allerdings nannte er auch weniger positive Aktionen, wie die jüngsten Diskussionen um Kardinal Woelki aus Köln. Dies führe zu einem Vertrauensverlust gegenüber der Kirche. „Der Missbrauch muss ehrlich und glaubwürdig aufgearbeitet werden“, forderte der SZ-Redakteur. Schwierig für ihn ist zudem der Umgang der katholischen Kirche mit der Corona-Pandemie. „Egal, was sie tat, es war falsch“, beschrieb er die Entscheidungen bezüglich der Gottesdienste an Ostern mit dem Verbot von Gottesdienstbesuchern und Weihnachten mit Gottesdiensten unter Hygienebegrenzungen. Bezogen sowohl auf die katholische Kirche weltweit und in Deutschland meinte er abschließend: „Es kann nicht so bleiben, wie es war. Aber in welche Richtung geht es?“

Die Diskussionsrunde leitete Moderator Karlitschek mit der Frage ein, wie sich der Prozess des Synodalen Weges in der Corona-Pandemie gestalte. „Der Synodale Weg ist ein Corona-Opfer. Er war mit vielen Diskussionen eindrucksvoll gestartet und ist nun ins Stocken geraten, weil die direkte Diskussion wegfällt. Der Prozess lebte und lebt von der persönlichen Begegnung. Corona ist hier ein Bremser, es wird schwierig sein, wieder auf die Beine zu kommen“, so Drobinski.

Die Bedeutung und Rolle der Ortskirche interessierte Werner Honal. Für den SZ-Redakteur könnte etwa das Thema „Wiederverheirate Geschiedene“ im Entscheidungsbereich des Diözesanbischofs liegen, was dann allerdings in der Gesamtschau zu einem Flickenteppich führen würde. Nicht zu vergessen sei außerdem die Aussage des Limburger Bischofs und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing, der eine Diskussion über das Frauenpriestertum bejaht. Bei diesem Thema wies Drobinski aber auch auf die breitere Vielfalt in der Weltkirche sowie auf das Bild der deutschen Kirche in anderen Regionen, Ländern und Kontinenten hin. Letztlich würde Papst Franziskus dann den Stimmen beipflichten, für die eine „Verlustangst“ deutlich wird. „Viele Argumente kommen in Schwierigkeiten, weil der Papst andere Akzente setzt. Und dann kippen viele Argumente“, fasste der Journalist diesen Themenkomplex zusammen. Grundsätzlich hält er es aber für gut, dass sich Vertreter aller Strömungen zu Wort melden, was zu einer positiven inhaltlichen Debatte führt.

Nach dem Einfluss konservativer Strömungen außerhalb des Klerus fragte Niklas Zimmermann. Diesen verlieh Drobinski das Etikett „Opposition“, was in mehreren Facetten deutlich werde. „Eine Debatte von gleich zu gleich ist mit dieser Gruppe schwierig“, so der SZ-Mitarbeiter.

Weitere Fragen und Diskussionsbeiträge zielten auf das für den nächsten ökumenischen Kirchentag ins Auge gefasste „gemeinsame Herrenmahl“, die scheinbar unterschiedliche Haltung Kardinal Woelkis, der als Erzbischof in Berlin liberal und jetzt in Köln konservativ auftrete, und die konservativen Vertreter im Episkopat, die wiederum sehr nuancenreich auftreten – von Papst em. Benedikt XVI. über den Passauer Bischof Stefan Oster bis hin zu Bischof Rudolf Voderholzer von Regensburg. „Das ist Freimut, der zugestanden werden muss. Sonst käme es zu einer Verarmung der Kirche“, antwortete Drobinski zum Schluss und schloss damit diesen ersten themenzoom der Ackermann-Gemeinde in deren Jubiläumsjahr 2021. Denn heuer steht das 75-jährige Jubiläum des Verbandes an.

Markus Bauer

Drobinski Süddeutsche Zeitung
Matthias Drobinski, Kirchenredakteur der Süddeutschen Zeitung war zum ersten themenzomm im Jahr 2021 zu Gast.
Freuten sich über ein Wiedersehen im Neuen Jahr: rund 100 Personen an 70 Bildschirmen verfolgten den themenzoom im Januar.