Geheim geweihte Priester und Bischöfe: Ein immer noch schwieriges Problem
Juni-Themenzoom der Ackermann-Gemeinde beschäftigte sich damit
Eine bis zum heutigen Tag die katholische Kirche in Tschechien und der Slowakei beschäftigendes Frage ist das Thema „Untergrundkirche“. Damit befasste sich am ersten Dienstag im Juni (4. Juni) der monatliche Themenzoom der Ackermann-Gemeinde. Dazu waren 58 PCs mit natürlich weit mehr Personen zugeschaltet.
Als Sachverständige zu dieser Thematik stand Dr. Eva Vybíralová zur Verfügung, die im Jahr 2019 ihre auf Deutsch erschienene Dissertation „Untergrundkirche und geheime Weihen. Eine kirchenrechtliche Untersuchung der Situation in der Tschechoslowakei 1948-1989“ veröffentlicht hat. Ganz aktuell ist eine ergänzte und erweiterte Fassung auf Tschechisch herausgegeben worden.
Auf einen ursprünglich beim Katholikentag in Erfurt geplanten Spaziergang ging Moderator Rainer Karlitschek in seiner Einführung ein. Er stellte kurz die im Jahr 1982 geborene Referentin vor: Studium der Theologie in Prag, Jena und Erfurt, Lizentiat des kanonischen Rechtes in Münster, Doktorstudium der Theologie in Erfurt und Prag, Ehebandverteidigerin in Berlin und Prag, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für das Studium totalitärer Regime. Auch verwies Karlitschek auf das Engagement der Ackermann-Gemeinde in Richtung tschechischer bzw. (früher) tschechoslowakischer Kirche, verbunden auch mit dem Interesse an der Aufarbeitung einschneidender Ereignisse.
„Die Untergrundkirche ist meine Herzenssache“, bekannte Vybíralová und erinnerte an einen Vortrag dazu vor etwa sechs Jahren bei der Freiburger Ackermann-Gemeinde. Den jetzigen Zeitpunkt für ihren Vortrag begründete sie damit, dass in Erfurt und weiteren Orten in der DDR Geheimweihen von Priestern stattfanden. Kurz skizzierte sie die Entwicklung der Lage der katholischen Kirche in der Tschechoslowakei nach der Machtübernahme der Kommunisten im Februar 1948: Gründung der Staatsbehörde für kirchliche Angelegenheiten, Verhaftung und Isolierung des Prager Kardinals Josef Beran seit Juni 1949, Ausweisung von Vertretern der Nuntiatur im Jahr 1950, Monster-Schauprozesse gegen kirchliche Mitarbeiter (Bischöfe, Äbte, Priester, Laien), Aktion K im Jahr 1950 gegen die Männerklöster und danach auch Aktionen gegen Ordensfrauen, Internierung von Bischöfen und Auflösung der griechisch-katholischen Kirche sowie der Priesterseminare. Folgen waren zum einen die vom Staat initiierte Gründung der „Friedensbewegung der Priester“, zum anderen der Gang in den Untergrund. Die Referentin beschrieb die Reaktionen des Apostolischen Stuhls im Blick auf liturgisch-sakramentale bzw. organisatorische Belange. In verschiedenen Bereichen wurden an die Ortskirchen Dispensierungen erteilt, Vybíralová meinte aber auch, „dass viele Legenden über diese Vollmachten entstanden. Einige glaubten, sie dürfen alles machen.“
Sie selbst konnte die nach der Wende 1989 vorherrschende Meinung, dass es keine Dokumente oder Archivalien des Apostolischen Stuhls dazu gebe, durch intensive Forschungen widerlegen. Sowohl im Archiv der Staatssicherheit in Prag als auch später in Rom wurde sie fündig, wodurch deutlich wurde, dass der Vatikan sehr wohl Vollmachten erteilt hatte – und Ernennungen zu geheimen Bischofsweihen. Die geheimen Priester- und Bischofsweihen seien, so die Referentin, damals vor dem gedanklichen Hintergrund angedacht worden, da man der Ansicht war, „dass die Gläubigen ohne Messe und Eucharistie nicht gut leben könnten, dies also zum Erhalt des kirchlichen Lebens nötig sei. Damit sei die Untergrund- bzw. Geheimkirche entstanden mit geheim geweihten Priestern und Bischöfen.
Die Strukturen entwickelten sich im tschechischen und slowakischen Landesteil aufgrund der Rahmenbedingungen unterschiedlich. Exemplarisch beschrieb die Referentin das Wirken des Bischofs der Untergrundkirche Felix Maria Davídek (1921 – 1988) mit der Gruppe „Koinótés“ und der Weihe von Frauen, von Bischof Paul Hnilica (1921 – 2006) und – damit verbunden – unterschiedliche Ansätze und Aktivitäten. Ein Aspekt war der Wechsel in den griechisch-katholischen Ritus, wo auch verheiratete Männer zu Priestern geweiht werden. Aufgrund der Vorgaben in den so genannten „mexikanischen Fakultäten“ konnten diese dann in beiden Riten, also auch römisch-katholisch, die Eucharistie feiern. In der Tschechoslowakei selbst sowie in Nachbarländern (DDR, Polen, vereinzelt Bundesrepublik) fanden die Geheimweihen statt. Heftig diskutiert wurde um 1970 die Priesterweihe von Frauen, die Debatte führte auch zur Zersplitterung in Davídeks Gruppe. Er selbst weihte mehrere Frauen zu Priesterinnen bzw. Diakonissen.
Abschließend ging Vybíralová auf die Entwicklungen nach der Samtenen Revolution ein, d.h. auf den Umgang mit und die Anerkennung der geheim geweihten Priester. „Es sind damals Hunderte aufgetaucht, die sich oft selbst nicht kannten. Oder vereinzelt auch Fälle, dass die Geweihten die Identität ihres Weihespenders nicht kannten“, erläuterte sie. Die römische Glaubenskongregation nahm erstmals im Jahr 1992 dazu Stellung. Entsprechend der Vorgabe „ordinatio sub conditione“ kann der Weiheritus wiederholt werden, wenn die Gültigkeit einer erfolgten Weihe fraglich ist. Eine zweite Weihe gab es in erster Linie dann nur für zölibatäre Priester, andere Geheimpriester mussten ihr Amt aufgeben. Im Rahmen von Geheimweihen eingesetzte verheiratete Priester konnten das Diakonsamt übernehmen. „Alle geheim Geweihten waren von der Gültigkeit ihrer ersten Weihe überzeugt. Und sie empfanden es als Schelte gegenüber ihren Weihespendern“, führte die Referentin aus. Vor allem in der Slowakei blieben viele geheim geweihte Priester aktiv, auch aus dem Grund, weil sie nicht in die öffentliche Seelsorge entlassen wurden.
Im Jahr 2021 brachte die Glaubenskongregation neue Normen heraus, die sie an die offiziellen Bischöfe richtete. „Hier werden nun auch die suspendiert, die sich nach 1989 von den ehemaligen Geheimbischöfen weihen ließen. Es gibt immer noch Gruppen, die mit den Geheimweihen weitermachen. Für Rom ist es ein längst abgeschlossenes Kapitel, aber es gibt immer noch Bewegung. Aus Sicht der Kirche sind die Weihen illegitim oder zweifelhaft. Derart Geweihte müssten laut den Normen als Laien auftreten“, schloss die Referentin mit den aktuellen Einschätzungen zu dieser Thematik.
Markus Bauer (Text und Fotos)