In die Welt und das Wesen des Jára-Cimrman eingetaucht

Mit bis zu 59 zugeschalteten Computern war der kulturzoom der Ackermann-Gemeinde am 12. Mai der bislang bestbesuchte. Lag es daran, dass die Ackermann-Gemeinde Nordwest erstmals sozusagen als Mitveranstalter agierte? Oder am Inhalt des 45-minütigen Programms, der tschechischen Kunstfigur Jára Cimrman, die manche vielleicht schon kannten, andere an diesem Abend erst kennenlernten. Kurzum, es war eine vergnügliche, heitere Dreiviertelstunde, bei der auch ein Einblick in die tschechische Seele möglich wurde.

Als „nationalen Mythos des modernen Tschechien“ bezeichnete Moderatorin Sandra Uhlich die Hauptfigur des Abends Jára Cimrman. Ebenso stellte sie die Protagonisten Dr. Marie Bode, die Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde in den nordwestdeutschen Diözesen, und die aus Prag stammende und nun in Münster lebende und wirkende Germanistin Petra Liebl vor. Auch machte Uhlich die Zuhörer mit der Praxis von Cimrman-Veranstaltungen vertraut, wonach dem Theaterstück stets ein wissenschaftliches Seminar vorgeschaltet ist.

Die Absage der eigentlich geplanten Frühjahrstagung bedauerte Bode, freute sich aber über das bestens angenommene virtuelle Treffen und die Teilnahme vieler Leute aus Nordwest. Über ihre seit den Kinderjahren bestehende Begeisterung fürs Theaterspielen erzählte Petra Liebl, bei ihrem Germanistik-Studium in Prag hat sie begonnen, in einem Theaterensemble auf Deutsch zu spielen, darüber hinaus hat sie auch schon Stücke selbst inszeniert. Eine besondere Herausforderung für sie war die Rolle der Billie Holiday. Die aktuelle Corona-Situation – ohne Theateraufführungen und Touristenführunge, die sie professionell anbietet, – sieht sie relativ entspannt, da sie auch noch Sprachunterricht erteilt und an ihrer Dissertation arbeitet. „Ich freue mich aber auf den normalen Alltag und die Abwechslung“, blickte Liebl in die Zukunft.

Bereits als Kind ist sie, „wie jeder Tscheche“, auf Jára Cimrman gestoßen. „Es gibt keinen Tschechen, der Jára Cimrman nicht kennt“, konkretisierte Liebl. Erstmals bewusst kam sie mit ihm im Jára-Cimrman-Theater in Berührung. „Ich habe mich immer schon gewundert, was für ein Genie das ist und was er für Tschechien bzw. die ganze Welt getan hat“, meinte die Germanistin. Denn das imaginäre „böhmische Genie“ gilt als Philosoph, Universalgelehrter, Erfinder, Dramatiker, Dichter, Musiker, Naturwissenschaftler, Lehrer, Reformator, Konstrukteur, Reisender, Sportler, Kriminalist – eben als Universalgenie des 19. und 20. Jahrhunderts. In einer Umfrage des tschechischen Fernsehens zum Thema „Der größte Tscheche“ landete er vor dem Heiligen Wenzel, Kaiser Karl IV., Jan Hus, Comenius und Václav Havel ganz vorne auf Platz eins, wurde jedoch als nicht reale Persönlichkeit aus der Wertung genommen. Als Petra Liebl nach Deutschland kam, musste sie feststellen, dass Jára Cimrman hier unbekannt war. Daher wuchs in ihr die Berufung, Jára Cimrman und die "Cimrmanologie" auch dem deutschsprachigen Publikum zugänglich zu machen.

In diese Thematik führte die Germanist dann auch kurz ein, d.h. in die Ursprünge seit dem 23. Februar 1966, als der mysteriöse Nachlass Cimrans gefunden worden sein soll. Das war auch der Startschuss zur Gründung des Jára-Cimrman-Theaters in Prag sowie die Aufführung und die Pflege seiner ohne eine Pause aufgeführten Theaterstücke mit der erwähnten wissenschaftlichen Einführung im Vorfeld.

Und daran orientierten sich Bode und Liebl dann bei ihrer Vorstellung von Jára Cimrman. Zuerst gaben sie einen Einblick in die vermeintliche Vita der Kunstfigur, deren Reifung ohne Pubertät, die Spuren, die er „in zahllosen Ländern fast aller Kontinente“ hinterlassen habe, und in viele seiner Erfindungen, bei denen Cimrman aber in der Regel zu spät dran war und andere Persönlichkeiten bereits die Patente erhalten hatten. So sprachen Bode und Liebl auch von einer „großen Genialität des großen Meisters“, den es aus Heimatliebe immer wieder nach Böhmen zog. Hier sei er als Wanderzahnarzt umhergezogen, wobei ihm das böhmische Volk alle Sorgen und Plagen anvertraut habe – und daraus seien die bis heute unsterblichen Theaterstücke entstanden, „Dramen von solcher künstlerischer Kraft, dass sie von seinen Zeitgenossen kaum begriffen werden konnten“, so Liebl abschließend in ihrer Einführung.

Zusammen mit Bode trug sie abschließend ein paar Ausschnitte Cimrman-Bühnenstücke vor, um den Zuhörern einen ersten Eindruck zu vermitteln. Gewiss werden sich nach dieser Dreiviertelstunde viele der an den knapp 60 Bildschirmen versammelten Frauen und Männer intensiver mit Jára Cimrman beschäftigen – ist er doch, wie Sandra Uhlich in ihren Schlussworten bemerkte, „absurd, sehr besonders“.

Markus Bauer

Deutschsprachige Beiträge über Jára Cimrman auf Deutschlandradio Kultur und auf Radio Prag.

Unterhaltsamer und gemütlicher Abend über Jára Cimrman mit Petra Liebl.
Auch Dr. Marie Bode, Vorsitzende der Ackermann-Gemeinde Nord-West, gestaltete den Abend mit.
Brachte den Ackermännnern und Ackerfrauen den Mythoas Jára Cimrman näher: Petra Liebl.
Über 80 Teilnehmer wissen nun mehr über das tschechische Universalgenie.
Die Ackermann-Gemeinde e.V. wird für die Kulturarbeit im Institutum Bohemicum aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.