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Kathrin Lichtenberg: Faible und Faszination für das Nachbarland

Wechsel in der Bundesgeschäftsführung der Ackermann-Gemeinde

Zum 1. März gibt es bei der Bundesgeschäftsstelle der Ackermann-Gemeinde (AG) in München eine bedeutende Änderung. Nach 16 Jahren als hauptamtlicher Mitarbeiter – 14 Jahre davon als Bundesgeschäftsführer – verlässt Matthias Dörr den Verband und beginnt seine neue Tätigkeit als Leiter der Inlandsabteilung bei Renovabis in Freising. Seinen bisherigen Posten übernimmt die aus Ingolstadt stammende Kathrin Lichtenberg (41), die in einigen ihrer bisherigen haupt- und ehrenamtlichen Tätigkeiten deutsch-tschechische Bezüge vorweisen kann.

„Ich bin in die Ackermann-Gemeinde hineingewachsen, schon als Kind war ich mit meinen Eltern bei Veranstaltungen dabei“, blickt Matthias Dörr zurück. Sein Vater Hans-Peter Dörr gehört zu den Urgesteinen der Ackermann-Gemeinde im Bistum Würzburg, war viele Jahre Diözesanvorsitzender und ist dort seit Juli 2021 Ehrenvorsitzender. Anfang der 1990er Jahre nahm Matthias Dörr als Jugendlicher an den Sommer- und Winterwochen zur politischen Bildung des Jugendbildungsreferates der Ackermann-Gemeinde teil und wechselte dann zur Jungen Aktion der Ackermann-Gemeinde, wo er auf Diözesan- und vor allem Bundesebene als Diözesan- bzw. Bundessprecher aktiv wurde. „Gerade in der spannenden Zeit vor der Unterzeichnung der deutsch-tschechischen Deklaration war ich im Bundesvorstand. Danach, in der Zeit des Aufbruchs und der Entstehung der deutsch-tschechischen Institutionen, nach Verabschiedung der Erklärung, war ich Bundessprecher“, ist der langjährige AG-Bundesgeschäftsführer auch heute noch dankbar für die damaligen Erfahrungen. Dörrs erste berufliche Tätigkeit war dann in Prag beim Institut für Auslandsbeziehungen (ifa). Als Kulturreferent war er hier eineinhalb Jahre tätig und bei der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik angesiedelt. Natürlich konnte er hier auch seine tschechischen Sprachkenntnisse ausbauen.

Ab Januar 2006 war er Bundesgeschäftsführer der Jungen Aktion, ab Dezember 2007 Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde. Besonders bleiben ihm aus den zuletzt 14 Jahren die deutsch-tschechischen Bundestreffen bzw. Begegnungstage (2009 Pilsen/Plzeň, 2012 Bautzen, 2015 Budweis/České Budějovice, 2019 Landshut) in Erinnerung. „Wir haben dieser Veranstaltung ganz bewusst neues Leben eingehaucht, indem wir sie als Kooperationsveranstaltung mit der Sdružení Ackermann-Gemeinde initiiert haben“, erklärt Dörr. 2009 in Pilsen war übrigens das erste Bundestreffen in Tschechien, mit weit über 500 Teilnehmern der Ackermann-Gemeinde. „Bei diesen Begegnungen war unser Ziel, dass wir uns immer mehr hin zur Bevölkerung öffnen. Wir wollten unser deutsch-tschechische Miteinander leben und auch gleichzeitig vorleben.“ Daher wurde die interessierte Öffentlichkeit eingeladen, dabei zu sein. Es sei für alle spürbar gewesen, was es an Miteinander und an wertvoller böhmisch-mährischer Kultur gibt, erinnert sich Dörr. So wurde bei vielen das Interesse am Nachbarn geweckt. Doch noch ein Aspekt ist im wichtig: „Diese Treffen waren nicht nur lebendige Begegnungen zwischen Deutschen und Tschechen, sondern auch zwischen den Generationen. Genau das ist mir bei diesen vier großen, jeweils mehrtägigen Veranstaltungen positiv in Erinnerung.“ Klar, dass diese vielen Ackermann-Jahre ihn geprägt haben und seinen Freundeskreis mitbestimmen. „Wir haben viel gemeinsam erlebt und auch bewegt. Wir konnten gestalten und mitgestalten – in der Ackermann-Gemeinde und darüber hinaus in der deutsch-tschechischen Nachbarschaft und auch im katholischen Bereich.“ Das sind natürlich Dinge, die bleiben, bekräftig er. „Natürlich werde ich der Ackermann-Gemeinde auch weiter verbunden bleiben. Es ist eine Gemeinschaft, in der ich mich wohl und gut aufgehoben fühle, und in der viele Menschen zusammenkommen, die ein gemeinsames Ziel haben: eine versöhnte deutsch-tschechische Nachbarschaft zu schaffen und diese miteinander zu leben. Darüber hinaus verbindet auch die Europa-Idee, das Engagement für Europa. Diese Inhalte bleiben mir auch weiterhin wichtig“, bilanziert Dörr.

Durch die Mitarbeit in den Renovabis-Gremien ist Dörr seit vielen Jahren mit dem katholischen Osteuropahilfwerk mit Sitz auf dem Freisinger Domberg verbunden. Nach Umstrukturierungen, die zum 1. Februar 2022 greifen, wurde ein neuer Leiter für die Inlandsabteilung gesucht. „Nach Gesprächen mit der Geschäftsführung reifte die nicht leichte Entscheidung, nach so langer Zeit die Bundesgeschäftsstelle zu verlassen, diese reizvolle Aufgabe zu übernehmen und etwas Neues anzufangen“, informiert der designierte Renovabis-Mitarbeiter. Die Abteilung ist überschrieben mit „Kommunikation und Kooperation“. Sie umfasst ein breites Aufgabenfeld von der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, den Bereich Fundraising über Veranstaltungen (z.B. Renovabis-Kongress, Partnerschaftstreffen) bis hin zu Dialog und Vernetzung im Inland und Publikationen. Dabei verweist Dörr besonders auf das Renovabis-Motto vom „Austausch der Gaben“, dem gegenseitigen Lernen von Menschen in West und Ost.

Keine familiären Wurzeln in Böhmen hat zwar Dörrs Nachfolgerin Kathrin Lichtenberg. Aber über die Jahre ist bei ihr eine Begeisterung für Tschechien gewachsen. Als Kind ist sie mit ihrer Familie in die damalige Tschechoslowakei gefahren. „Das war für die ganze Familie der Aha-Effekt. Wir waren total begeistert und sind in der gleichen Woche gleich nochmal hinübergefahren. Und im nächsten Jahr wieder, ja immer wieder“, schildert sie die frühen Eindrücke, die Faszination für das Nachbarland, für die dortige Kultur. Egal ob in der Schule, in der Universität, im Ehrenamt – „immer war der Hauptfokus auf die Tschechische und Slowakische Republik gerichtet. Da hatte ich immer eine unglaublich gute Zeit und bin mit offenen Armen empfangen worden“, blickt Lichtenberg zurück.

Beim Studium entschied sie sich für Politikwissenschaft – studierte von 2001 bis 2008 an der Universität Augsburg, der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg mit dem Abschluss Magister Artium. Hinzu kam ein Auslandssemester an der Matej-Bel-Universität Banská Bystrica in der Slowakei. Darüber hinaus absolvierte sie eine Ausbildung als Coach für Interkulturelle Arbeit und von 2011 bis 2016 im Fernstudium, neben der regulären Arbeit, den „Master of Arts“ im Fach Europäisches Verwaltungsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin. Praktika machte sie unter anderem im Bayerischen Landtag und an der Akademie für Politische Bildung.

Nach dem Erststudium wuchs der Wunsch, einen Freiwilligendienst in Tschechien oder der Slowakei zu machen – auch um die Sprache weiter zu erlernen. Dies war schließlich von September 2008 bis Juni 2009 bei Tandem in Pilsen möglich – wohlgemerkt in dem Jahr, als Tschechien erstmals die EU-Ratspräsidentschaft innehatte und die Bewerbung Pilsens als Kulturhauptstadt Europas begann.

Zunächst konnte Katrin Lichtenberg im Anschluss beim Bezirksjugendring Oberfranken in einem deutsch-tschechischen Projekt mitarbeiten und dabei viele Berührungspunkte mit (sudeten)deutsch-tschechischen Aspekten bzw. sudetendeutschen Gruppen aufbauen. Nach diesem Projekt oblag ihr die Geschäftsführung des Stadtjugendrings Bayreuth.

Die weiteren beruflichen Tätigkeiten hatten eher administrativen Charakter (Bundesagentur für Arbeit, Assistenz der Geschäftsführung in den Feldern Weiterbildung, Wirtschaft und Gesundheit). „Es hat mir sehr leidgetan, dass ich das Deutsch-Tschechische nun beruflich nicht mehr machen konnte“, bedauert sie. Dafür engagierte sie sich in anderer Weise in eben diesem Fachgebiet. Sie wurde Teilnehmerin und Alumni beim Czech-German Young Professional Programm und wirkte überregional ehrenamtlich als Landesvorsitzende der Jungen Europäer (Mai 2005 bis April 2008) und als Bundesausschussvorsitzende der JEF (Junge Europäische Föderalisten) Deutschland (März bis November 2007).

„Der Wunsch war da, im deutsch-tschechischen Bereich wieder tätig zu werden, vor allem weil mir als gute Europäerin etwas an der Nachbarschaft liegt. Ich habe ein extremes Interesse daran und merke auch, dass die deutsch-tschechischen Beziehungen manchmal relativ selbstverständlich genommen werden.“ Dabei vergesse man aber, dass diese auch Pflege bräuchten, mahnt Lichtenberg. „Deswegen war es für mich wichtig, immer wieder in diese deutsch-tschechische Gruppe zurückzukehren“, beschreibt sie ihre Motivation.

Als sie kurz vor Jahresende 2021 in den Sozialen Medien die Stellenausschreibung für die Bundesgeschäftsführung der Ackermann-Gemeinde entdeckte, wurde sie sofort aktiv. Die AG-Bundesgeschäftsstelle ist viel näher zu ihrer Wohnung als ihre bisherige Arbeitsstelle. „Das Gesamtpaket in der Ausschreibung hat gepasst!“, so ihr Fazit.

Gepasst hat es auch für die Vertreter des Trägervereins der Ackermann-Gemeinde, der Ackermann-Gemeinde e.V., die sich für Kathrin Lichtenberg als Nachfolgerin von Matthias Dörr entschieden. Als neue Bundesgeschäftsführerin freut sich Kathrin Lichtenberg insbesondere auf den spezifisch thematischen Ansatz der Arbeit der Ackermann-Gemeinde - den kirchlich-theologischen Hintergrund – um diesen mit ihren ehren- und hauptamtlichen Erfahrungen aus der Verbands- und Gremienarbeit zu verbinden. Die in ihren Ausbildungen vermittelten Inhalte bilden die Basis für viele weitere Elemente der neuen Aufgabe.

In der Freizeit ist Kathrin Lichtenberg gerne draußen, im Freien unterwegs: sei es in den Bergen oder einfach nur wandern oder im Winter Ski fahren sowie München entdecken. Der Besuch von Ausstellungen oder ein guter Film im Kino können zum Ausgleich beitragen, ebenso die Betreuung eines Patenkindes – und Lesen und Literatur, sogar tschechischer Autoren, womit wir wieder beim entsprechenden Faible wären.

Markus Bauer