„Keiner wusste, wie man mit Corona umgehen sollte“
Die Corona-Pandemie zieht sich – als Haupt- oder als Nebenthema – auch durch die Themenzooms der Ackermann-Gemeinde. Einen nicht alltäglichen Blick in die Arbeit eines bedeutenden Trägers von Krankenhäusern und sozialer Einrichtungen gewährte beim achten Themenzoom der frühere Geistliche Beirat der Ackermann-Gemeinde Dr. Albert-Peter Rethmann. Er ist heute Sprecher der Geschäftsführung der Barmherzigen Brüder, mit über 100 Einrichtungen einer der großen christlichen Träger von Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen in Deutschland.
Auf rund 50 zugeschaltete Monitore hat sich der Themenzoom der Ackermann-Gemeinde eingependelt, aber „es nehmen immer neue Leute daran teil“, stellte Moderator Rainer Karlitschek in seiner Begrüßung fest. Und er gab ein Lob von Renovabis-Geschäftsführer Pfarrer Dr. Christian Hartl, der zwei Wochen zuvor als Referent Rede und Antwort stand, weiter. „Der Zoom der Ackermann-Gemeinde hat Atmosphäre“, hatte Hartl festgestellt.
Den Referenten des Abends musste Karlitschek nicht groß vorstellen, als ehemaliger Geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde ist er bestens bekannt. Der Moderator nannte noch einige weitere frühere Tätigkeitsfelder Rethmanns, Professur an der Karlsuniversität in Prag und dann Gründungsdirektor des Instituts für Weltkirche und Mission der Deutschen Bischofskonferenz in Frankfurt, und beschrieb seine jetzige Tätigkeit als Geschäftsführer für Christliche Unternehmenskultur und Unternehmenskommunikation und Sprecher der Geschäftsführung der BBT (Barmherzige Brüder Trier) gGmbH. Vor allem ethische Fragen im Bereich Krankenhaus und Pflege, Vordenken und Konzeptentwicklung gehören zu seinen Hauptaufgaben.
„Keiner wusste, wie man mit Corona umgehen sollte", begann Rethmann seinen Vortrag. Er blickte auf die Situation Ende Februar/Anfang März vor allem in Frankreich und Italien zurück, als dort die Ausbreitung des Virus drastisch und eine mögliche Überforderung auch des bundesdeutschen Gesundheitssystems wegen nicht mehr zurückverfolgbarer Ansteckungswege deutlich wurde. Auch Folgen für Beerdigungskapazitäten sprach Rethmann an. „Das sind große medizinische und organisatorische Herausforderungen für eine Gesundheitsorganisation. Unsere Krankenhäuser mussten für einen hohen Ansturm an Patienten vorbereitet werden“, schilderte der Geschäftsführer. Konkret wurde der Betrieb heruntergefahren, Operationen wurden abgesagt, die Intensivkapazität überprüft, Lungen- und Intensivmediziner besonders vorbereitet – auch hinsichtlich des Einsatzes von Beatmungsgeräten – und das Raumkonzept im Blick auf die Intensivkapazität umorganisiert. Aber auch Hilfestellungen für Ärzte und Pflegekräfte waren vorgesehen. Und – sonst eher aus Kriegen bekannt – der Umgang mit Triage-Situationen war zu klären. Dazu wurde eine Arbeitsgruppe von vier Ethikern gegründet, die sich wiederum mit weiteren Einrichtungen zur Unterstützung vernetzten. „Die Entscheidung, welcher Patient von einem Beatmungsgerät abgeklemmt werden soll, ist psychisch sehr belastend“, stellte Rethmann fest. In der Folge wurden Richtlinien erarbeitet, die sich natürlich auch stark an christlichen Grundwerten, an der Würde des Menschen orientieren. So ist etwa das Alter als Kriterium ausgeschlossen, das Team, das über die Aufnahme entscheidet, ist ein anderes als das, welchem die Behandlung obliegt, und ein Seelsorger sowie Angehöriger sollte Zugang und Kontakt zu sterbenden Patienten haben bzw. eine Verabschiedung der Angehörigen von einem Verstorbenen sollte möglich sein. Bei den Senioreneinrichtungen empfahl Rethmann eine möglichst weite Auslegung der Besuchsregelungen, zudem sollte eine seelsorgliche Begleitung sichergestellt werden.
Mehrere Fragen bezogen sich auf die Bedeutung der Patientenverfügung speziell bei den Corona-Gegebenheiten. Rethmann riet zu prüfen, ob die Verfügung auf die Situation zutrifft bzw. aktuell ist. Auf die Frage von Dr. Jean Ritzke-Rutherford, ob bestimmte Patienten bevorzugt würden, antwortete Rethmann, dass allein medizinische Kriterien maßgeblich seien. Problematisch sei natürlich, dass sich bei aufgeschobenen Operationen der Zustand dieser Patienten verschlechtert und diese zu einem „Notfall oder unheilbaren Fall“ würden. Gravierender ist für Rethmann die oft beobachtbare Tatsache, dass Patienten mit schweren Erkrankungen aus Angst vor Covid 19 nicht zum Arzt gehen. Eva und Oliver Engelhardt fragten nach der Begleitung durch Seelsorger. Diese gebe es, so Rethmann, für Patienten, Angehörige und Mitarbeiter, außerdem eine psychologische Beratung für die Bediensteten. Natürlich würden, auch wenn aktuell die Zahlen niedrig sind, Betten vorbehalten, die bei einer Verschlechterung der Situation wieder aktivierbar wären.
„Alle sind froh, dass das Schlimmste nicht eingetroffen ist“, fasste Rethmann zusammen und zollte sowohl der Bundesregierung und den Landesregierungen wie auch den Bürgern Anerkennung für ihr positives Handeln und Verhalten. Dennoch bringe die Corona-Krise hohe Verluste auch für seine Gesellschaft mit sich, aber „wir können es tragen“, so Rethmann. Und die christlich-sozial-ethischen Aspekte stünden in seiner Einrichtung an erster Stelle.
Markus Bauer