Kultur der böhmischen Länder erleben

Die deutsch-tschechische Kulturwoche "Rohrer Sommer" gehört zweifelsohne zu den Traditionsveranstaltungen der Ackermann-Gemeinde. Als „kulturelle Initiative aus der Mitte der Ackermann-Gemeinde“ sieht Adolf Ullmann, früherer Bundesvorsitzender und seit Beginn Mentor der Veranstaltung, diese vielschichtige Kulturveranstaltung. Heuer, vom 31. Juli bis zum 7. August, waren es 30 Jahre, dass es den „Rohrer Sommer“ gibt. Da dieser in den ersten Jahren aber nur alle zwei Jahre stattfand, war es dieses Mal die 21. Auflage mit insgesamt 94 Teilnehmern aus Deutschland und Tschechien im Kloster Rohr.

Aktives kulturelles Tun, und das in ganz unterschiedlichen Betätigungsfeldern und für alle Generationen – das ist das Programm des „Rohrer Sommers“. Da kommt es schon mal vor, dass drei Generationen einer Familie mit dabei sind, die Altersspanne reichte heuer von einem halben bis zu 89 Jahren. Die 89-jährige Edeltraud Höß aus München fehlte übrigens nur bei einem Rohrer Sommer, und da war sie im Krankenhaus. Auch aus Tschechien waren in diesem Jahr wieder Teilnehmer gekommen.

Das musikalische Programm der Woche konnte sich sehen und vor allem hören lassen, dargeboten von den Gesangssolisten, dem Blockflötenensemble (Leitung Christa Ullmann), dem Quintett, dem Chor und dem Orchester. Werke von Franz Xaver Richter (1709 bis 1789, aus Holleschau in Mähren), Johann Anton Reichenauer (um 1694 bis 1730, aus Prag), Antonín Dvořák (1841 bis 1904), Joseph Gabriel Rheinberger (1839 bis 1901), Felix Mendelssohn- Bartholdy, Lukáš Matoušek (geboren 1943), Antonio Rosetti (um 1750 bis 1792, aus Leitmeritz) und Franz Johann Habermann (1706 bis 1783, aus dem Egerland) standen auf dem Programm des Konzerts am Ende der Tagung in der Rohrer Abteikirche, wobei Habermanns „Missa St. Joannis Nepomuceni“ auch am letzten Veranstaltungstag beim Sonntagsgottesdienst zur Aufführung kam. Ein Urgestein der Kulturarbeit der Ackermann-Gemeinde, Rudolf Baumgartl, war in einem Archiv in Prag auf diese unbekannte Messe gestoßen, so dass sie nun einstudiert und aufgeführt werden konnte. Dank Stephanie Kocher (Chorleitung) und Simon Ullmann (Orchesterleitung) gelang die Aufführung sehr gut.

Doch nicht nur aktives Musizieren war angesagt, sondern beispielsweise auch Wissenswertes über das „Konservatorium Europas“, d.h. über die zahlreichen Komponisten aus Böhmen im 17. und 18. Jahrhundert, die vielfach in andere europäische Länder ausgewandert sind und etwa in Wien, Paris oder Mailand die Musikszene beeinflusst haben. Oder über die Mannheimer Schule, d.h. die zunehmende Einbeziehung von Hörnern und Oboen bzw. Flöten in Streicherbesetzungen. Auch hier finden sich die Wurzeln bei böhmischen Komponisten, die Elemente aus der Volksmusik in die klassische Musik übernahmen – und damit auch das eine oder andere Blasinstrument.

Für die rund 23 Kinder unter zehn Jahre gab es separate Angebote – wie zum Beispiel Basteln, Musikalische Früherziehung (Gabriele Koch) oder Puppenspiel (Leitung Jutta Böhm) – die Blockflötenanfänger umrahmten übrigens das Puppenspiel musikalisch. Und Figuren für das Puppenspiel gestalteten die „Holzwürmer“ unter Anleitung von Adolf Ullmann. Volkstänze (aus unterschiedlichen deutschen Regionen und früheren Siedlungsgebieten) und Volksmusik waren bei Barbara Hauck angesagt, textiles Gestalten bei Traudl Heppner, die Seidentücher und -schals, T-Shirts und Taschen herstellte, aber auch Karten aus Papier oder Grußkarten mit Blütenblättern gestaltete. Zugunsten des Sozialwerks der Ackermann-Gemeinde wurden und werden diese Dinge verkauft. Im religiösen Arbeitskreis von Altabt Gregor Zippel OSB standen Bibelmeditationen aus dem Alten und Neuen Testament im Mittelpunkt, wobei die Teilnehmer auch persönliche Erfahrungen einbrachten. Heiter ging es schließlich im literarischen Arbeitskreis (Leitung Manuela Kopřivova) zu, denn hier bildeten humorvolle Stoffe von deutsch schreibenden böhmischen Schriftstellern die Basis der Beschäftigung.

Die vielen  Angebote boten den Teilnehmern die Möglichkeit, ausgewählte Aspekte der Kultur der böhmischen Länder kennenzulernen, sich aktiv mit ihnen auseinanderzusetzen und sie sich anzueignen. Im nächsten Jahr werden die Rahmenbedingungen jedoch anders sein. Denn vom 2. bis 5. August 2012 ist wieder das deutsch-tschechische Bundestreffen der Ackermann-Gemeinde. Für diese Veranstaltung studieren dann der Chor und das Orchester mehrere geistliche und weltliche Werke ein. Daher ist der „Rohrer Sommer“ im kommenden Jahr bereits im Frühling, voraussichtlich vom Ostersonntag (8. April) bis zum Weißen Sonntag (15. April).

Markus Bauer

Dieses Projekt wurde gefördert vom Haus des Deutschen Ostens (München), dem Kulturreferenten für die böhmischen Länder beim Adalbert-Stifter-Verein und dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds (Prag).

Überzeugten erneut: Chor und Orchester in Rohr