Lebendige böhmische Kultur

Die deutsch-tschechische Kulturwoche "Rohrer Sommer" der Ackermann-Gemeinde war in der ersten Augustwoche erneut in großer Erfolg. Über 100 Teilnehmern aller Generationen, davon etwa ein Drittel aus Tschechien, kamen hierzu in das Kloster Rohr in Niederbayern. Der Höhepunkt war traditionell das Konzert des Chores und Orchesters (inkl. Solisten) in der Abtei-Kirche Rohr. Diesem wohnten neben den Tagungsteilnehmern am Abend des ersten August-Freitag auch Einwohner und Interessenten aus Rohr sowie Mitglieder der Ackermann-Gemeinde aus den Diözesen München und Regensburg bei.

 

Der Sprecher der Leitungsteams der Woche Wolfgang Tobisch wies in seiner Begrüßung zum einen auf das heuer gefeierte 70-jährige Jubiläum der Ackermann-Gemeinde hin, weshalb festliche Klänge beim Konzert zu hören sind, zum anderen aber auch auf die Thematik Flucht und Vertreibung, die ruhigere Töne einfordert. Und beidem wurde das Konzert gerecht.

Mit der „Sinfonie Nr. 4 in Es-Dur“ des vor 275 Jahren geborenen böhmischen Komponisten Václav Pichl begann das Konzert, dargeboten vom Orchester des Rohrer Sommers unter der Leitung von Simon Ullmann. Die Beschäftigung gerade mit Komponisten aus den böhmischen Ländern ist ja seit jeher eine Grundmaxime dieser heuer zum 26. Mal durchgeführten Veranstaltung. Keine böhmischen Wurzeln und Bezüge hat hingegen Georg Philipp Telemann. Dessen „Sonate II C-Dur“ (aus Essericizii musici) brachten die junge Flötistin Johanna Böhm, Simon Ullmann am Barockcello und Irina Ullmann am Cembalo gekonnt zu Gehör. Ein Werk des fast genau vor 200 Jahren (31. Juli 1816) verstorbenen Böhmen Joseph Fiala, der aus Lochovice stammte, nämlich das „Quartetto I in Es-Dor“ spielten Mája Wittová (Violine), Hannah Kreß (Viola), Ondřej Svitanský (Fagott) und Simon Ullmann (Violincello). Die Arie „Jesu Klage“ aus dem Oratorium „Paulus“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy sang die Sopransolistin Dr. Hildegund Kirschner, begleitet von Irina Ullmann am Klavier. Höhepunkt des Konzerts war schließlich das vom Orchester und vom Chor des Rohrer Sommers gemeinsam aufgeführte „Miserere“ (ZWV 57) des aus dem böhmischen Ort Launiowitz stammenden Komponisten Jan Dismas Zelenka. Hier hatte Stephanie Kocher die Gesamtleitung, ein solistisches Duett boten beim Teil „Gloria Patri I“ Dr. Hildegund Kirschner und Anna Kocher.

Während der Woche standen aber auch Volksmusik, Volkstanz und - für die Kleinen - musikalische Früherziehung auf dem Programm. Holzbearbeitung und Puppenspiel (Nussknacker-Suite) gab es außerdem für die Kinder. Die Jugendlichen erarbeiteten ein Theaterstück zu dem Literaturwerk von Reiner Kunze „Der Löwe Leopold“. Mit dem Opus des gleichen Autors „Die wunderbaren Jahre“ befassten sich die Erwachsenen. Im religiösen Arbeitskreis standen die Psalmen im Zentrum, zumal ja auch das „Miserere“ aus dem Konzert vom Psalm 51 stammt. Zum Einstieg hielt Dr. Otfrid Pustejovsky einen Vortrag zum Thema „Die Auswirkungen von Flucht und Vertreibung auf die zweite und dritte Generation“. Bei einem ausführlichen Abschlussnachmittag und -abend zeigten die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen dann am Samstag ihre erarbeiteten Werke. Und der Chor und das Orchester des Rohrer Sommers gestalteten zum Abschluss in der Rohrer Abteikirche die Sonntagsmesse – und werden im Oktober bei der 70-Jahrfeier der Ackermann-Gemeinde in Nürnberg auch mitwirken.

Markus Bauer

Höhepunkt war das gemeinsam von Chor und Orchester unter der Leitung von Stephanie Kocher aufgeführte „Miserere“ von Jan Dismas Zelenka (Foto: M. Bauer)