Mit dem Rad von Prag nach Münster

Viel gefragt war beim 101. Deutschen Katholikentag in Münster die Junge Aktion der Ackermann-Gemeinde. Sie hatte bereits im Vorfeld eine nicht alltägliche Kampagne zum Thema des Katholikentages „Suche Frieden“ gestartet: Eine Fahrt per Fahrrad vom 28. April bis zum 7. Mai von Prag nach Münster, an der neun Jugendliche und junge Erwachsene aus Deutschland, Tschechien und der Slowakei teilnahmen.

„Die Idee dazu ist bereits vor zwei Jahren beim Katholikentag in Leipzig entstanden“, blickt Matthias Melcher, Bundessprecher der Jungen Aktion, zurück. Das Thema „Suche Frieden“, die Stadt Münster als Fahrrad-Hochburg und schließlich die Gedenkjahre und auch -orte des Dreißigjährigen Krieges (Prager Fenstersturz 1618, Westfälischer Friede 1648 – auch in Münster ausgehandelt und unterzeichnet) gaben den Rahmen der Radtour vor. „Auf der Route sollten Orte liegen, die mit dem Frieden zu tun haben“, erläutert der JA-Bundessprecher. Also Gedenkstätten oder Orte, an denen Menschen sich aktiv für den Frieden einsetzen.

Der Startschuss fiel am 28. April um 11 Uhr im Kloster auf dem Weißen Berg bei Prag, ebenfalls ein geschichtsträchtiger Ort. Nach einer kurzen Andacht segnete Erzabt Prokop Siostrzonek OSB vom Kloster Břevnov die Radler, die sich danach auf ihre rund 860 Kilometer Strecke machten. Erstes „Friedensziel“ war Lidice, wo am 10. Juni 1942 das von den Nationalsozialisten verübte Massaker stattfand. Beim Gespräch in der Gedenkstätte erfuhren die Jugendlichen viele Aspekte der dort geleisteten Friedens- und Versöhnungsarbeit. Ähnliches gilt - aus anderer Perspektive - für Theresienstadt, das ebenfalls auf der Route lag. Von einem „Ort schrecklicher Verbrechen“ spricht Melcher. Auf dem Weg lag auch der Marienwallfahrtsort Doxan/Doksany. Hier informierte ein Mönch über die Geschichte und Architektur des Klosters. In Leitmeritz, an der Elbe gelegen, erfolgte die Übernachtung.

Den Elbe-Radweg nutzten die JA-Radler auf der nächsten Etappe nach Dresden. Auf dem Weg dorthin liegt Aussig – und damit die Erinnerung an das Massaker auf der Elbe-Brücke an Deutschen am 31. Juli 1945. In Pirna stand die Gedenkstätte Schloss Sonnenstein auf dem Programm. Das Schloss wurde von 1940 bis 1941 von den Nationalsozialisten als Euthanasieanstalt genutzt, 13720 meist behinderte Menschen wurden getötet. In Pirna gibt es aber auch ein deutsch-tschechisches Gymnasium, das ebenfalls auf Interesse der Radler stieß. In Dresden gab es ein Gespräch mit Frank Richter, dem Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche, der nicht nur über dieses Gotteshaus, sondern auch über die politischen Rahmenbedingungen in der sächsischen Hauptstadt informierte.

Die längste, 136 Kilometer umfassende Etappe führte dann nach Leipzig, dem Ort des vorangegangenen Katholikentags 2016. In Gesprächen ging es zum einen über den damaligen Katholikentag, aber auch um die politische Situation hier und in ganz Sachsen. Natürlich war in Leipzig die Nikolaikirche Pflicht, haben sich dort doch im Herbst 1989 aus den Montagsgebeten die Montagsdemonstrationen entwickelt. Mit Pfarrer Bernhard Stief sprachen die Radtour-Teilnehmer über die Situation der Kirchen und Religionen, die Bedeutung der Jugendweihe heute und die generationsübergreifende Friedensarbeit in der Nikolaikirche.

In Halle/Saale in Sachsen-Anhalt gab es ein Gespräch mit Christof Starke, dem Geschäftsführer des Friedenskreises Halle e.V., der nach 1989 entstanden ist und die zu Zeiten der Wende entstandenen Themen fortführen will – in Form von Weiterbildungen oder auch Freiwilligendiensten mit unterschiedlichen Ländern. Hügelig wurde die Route, als es in den Harz ging. Über Eisleben (Martin Luther) und Quedlinburg ging es zur früheren deutsch-deutschen Grenze. In Seesen spürten die JA-Mitglieder der Frage nach, wie das Leben an dieser besonderen Grenze war. „Heute merkt man die Grenze gar nicht mehr“, bestätigt Matthias Melcher. Die Leute hier hätten vor allem in ihren Familien den Frieden gefunden. Am 5. Mai kam die Gruppe in Höxter (bereits Nordrhein-Westfalen) an, führte Gespräche mit Pfarrangehörigen und holte sich Energie (auch spirituell beim Sonntagsgottesdienst) für die letzten Etappen. Am vorletzten Tag lag in Detmold das Hermannsdenkmal auf der Strecke, der Direktor des Lippischen Landesmuseums Dr. Michael Zelle gab Auskunft über die historischen Hintergründe dieses Denkmals.

Münster, die Stadt des Westfälischen Friedens, erreichten die Radler am 7. Mai. „Erschöpft, aber glücklich“, so Matthias Melcher, beendeten sie am Domplatz die Tour. In den nächsten zwei Tagen bauten sie den Stand in der Eingangshalle der Bezirksregierung auf, am Eröffnungsabend des Katholikentages wirkten die JA-Radler ebenfalls mit. Und während des Katholikentages standen sie zahlreichen Journalisten Rede und Antwort.

Von den neun Teilnehmern (fünf Tschechen, drei Deutsche, eine Slowakin) waren jeweils sechs bis sieben auf der Strecke, etwa die Hälfte vollzeitig. Das ist auch damit begründet, dass es noch weitere Aktionen während der Tour gab. So wurden sowohl die im Vorfeld ausgesuchten Gesprächsteilnehmer wie auch zufällig getroffene Passanten um kurze Statements zu der Frage gebeten, wo sie persönlichen bzw. gesellschaftlichen Frieden finden würden. Insgesamt 40 schriftlichen Aussagen, verbunden mit Porträtfotos, wurden gesammelt, in Münster dann laminiert und am Stand ebenfalls präsentiert.

„Wir haben viele neue Kontakte knüpfen können, die wir nun intensivieren wollen. Und viele Initiativen, mit denen wir uns vernetzen werden“, bilanziert der JA-Bundessprecher. Wichtig sei aber auch gewesen, konkrete Orte des Friedens und die dazugehörigen Hintergründe kennenzulernen. Und die neun Teilnehmer charakterisiert er als „eine gute, harmonische Gruppe“. Übrigens strampelten alle rein mit Muskelkraft, es waren keine E-Bikes dabei – natürlich aber ein Versorgungs-PKW. Die Ausstellung über diese Radtour wird in den nächsten Monaten bei unterschiedlichen Veranstaltungen zu besichtigen sein.

Markus Bauer