Msgr. Olbrich zum Pfingstfest: „Raus aus den vier Wänden“

Mit Gedanken zum Pfingstfest wendet sich Msgr. Dieter Olbrich an die Mitglieder, Unterstützer und Freunde der Ackermann-Gemeinde. Der Geistliche Beirat greift dabei eine Schlagzeile einer Boulevard-Zeitung auf, die mit Blick auf die Corona-Krise formulierte: „Pfingsten 2020 – raus aus den vier Wänden!“. Er zeigt, dass diese Überschrift aus christlicher Sicht bestens zum Pfingstfest passt.

Liebe Mitglieder, Unterstützer und Freunde der Ackermann-Gemeinde,

eine große Münchner Boulevard-Zeitung hat im Rahmen der Corona-Krise eine Schlagzeile getitelt: „Pfingsten 2020 - raus aus den vier Wänden!“

Es wurden Menschen befragt, wie sie die Pfingsttage verbringen würden - Ausflüge und Kurzreisen waren die am häufigsten genannten Antworten. Auf den christlichen Sinn des Festes ist nicht eingegangen worden. Und doch meine ich, dass diese Überschrift „Raus aus den vier Wänden“ sehr gut den Zugang zu dem eröffnen kann, was wir an Pfingsten feiern: Die Sendung des Geistes als „Fest des Aufbruchs“!

1. „Raus aus den vier Wänden“ - genau das war doch auch eine unmittelbare Folge des Pfingstereignisses. Die Jünger Jesu verlassen den geschlossenen, bergenden Raum - darin steckt etwas ganz Bezeichnendes: Durch die Sendung des Geistes können sie sich öffnen, sie werden buchstäblich „Feuer und Flamme“, sie können von Jesus sprechen (vgl. Apg 2,14-36). Für die Jünger bedeutet „raus aus den vier Wänden“ den Weg zu den Menschen zu finden, Verbindungen zu anderen zu schaffen.

Ich wünsche uns allen, dass wir in unserem Alltag und durch unser Wirken uns Anderen gegenüber öffnen und dabei bezeugen, was der christliche Glaube bedeutet.

2. „Raus aus den vier Wänden“: Eine weitere Erfahrung, dass Gottes Geist etwas in Bewegung bringt, war die Einsicht, dass die Botschaft von Gottes Handeln in Jesus nicht bloß für das jüdische Volk gilt, sondern alle Menschen betrifft (vgl. Apg 10, 34-35). Auch da zeigt sich wieder etwas Grenzüberschreitendes. Mache ich ernst damit, dass mein Glaube immer wieder neu Öffnung und Weitergabe verlangt? Oder bleibe ich hinter meinen Begabungen und Möglichkeiten zurück, indem ich mich nur auf Gleichdenkende beziehe, die mich bestätigen? Gehe ich offen auf meine Mitmenschen zu?

Lassen Sie uns nicht vergessen, unser Wissen, unsere Erfahrungen und unseren Glauben grenzüberschreitend mitzunehmen, hinüber zu unseren Freundinnen und Freunden jenseits der Grenzen zwischen den Ländern Mitteleuropas, die hoffentlich bald wieder geöffnet werden.

3. „Raus aus den vier Wänden“: Bei den Jüngern zeigt sich eine Konsequenz des Glaubens weiterhin in dem, was die Apostelgeschichte das „Sprachwunder“ nennt (vgl. Apg 2, 4.6 - 8.11). Es ist seltsam und faszinierend zugleich: Unbekannte Menschen verstehen sich plötzlich; die Botschaft von Jesus bleibt ihnen nicht länger fremd - raus aus den vier Wänden heißt: wir verlassen unsere Barrieren der Herkunft, unsere sprachliche Verschiedenheit.

Das ist auch für unsere Gemeinschaft höchst aktuell. Nicht nur in unseren Familien, auf engstem Raum, reden wir oft aneinander vorbei. Das geschieht auch zwischen unseren Staaten und Gesellschaften. Jeder vertritt andere Interessen, jeder spricht seine eigene Sprache, im wortwörtlichen und im übertragenen Sinn. Es bleibt auch in Zukunft unsere Aufgabe, unsere Herausforderung, solche Sprachbarrieren abzubauen, denn sie machen die Kommunikation schwierig, ja teilweise unmöglich.

4. „Raus aus den vier Wänden“ - das Ergebnis der anfangs erwähnten Umfrage passt, wenn man es richtig deutet, gar nicht so schlecht zu unserem Christsein. An uns liegt es, ob diese scheinbar oberflächliche Antwort Tiefgang bekommt und ob Pfingsten uns helfen kann, wieder neu in „Aufbruchstimmung“ zu kommen - auf dem Weg zu Gott und zueinander. Bitten wir darum, dass Gottes Geist auch uns immer wieder neu zu den nötigen „Grenzüberschreitungen“ des Alltags verhilft!

In diesem Sinne Euch allen gesegnete und frohe Pfingsttage und: raus aus den vier Wänden!

Ihr
Msgr. Dieter Olbrich

Geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde
und Präses der Sudetendeutschen