Mut zum Neuanfang: Christ sein in Europa - und gestalten!

In der aktuellen Ausgabe der Salzkörner, einer vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) herausgegebenen Publikation, mahnt Martin Kastler MdEP, Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde und europapolitischer Sprecher des ZdK, anlässlich der bevorstehenden Europawahl, sich als Christen für Europa einzusetzen.

Aus: Salzkörner 20 Jg. Nr.2 (30. April 2014); S. 2-3 www.zdk.de


Europawahlen

Mut zum Neuanfang: Christ sein in Europa - und gestalten!

 

Die bevorstehende Europawahl fordert Christen in Europa auf, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Populistischen Strömungen und rechtsextremen Gruppen muss bei dieser Wahl die rote Karte gezeigt werden. Zur aktiven Mitgestaltung der Gesellschaft sind Christen als "Salz der Erde" aufgerufen. Die Europawahl ist eine große Chance sich zu einem wertegebundenen und solidarischen Europa zu bekennen.

Am 25. Mai 2014 ist Europawahl - und glaubt man den Umfragen, interessiert das bislang gerade mal jeden fünften Deutschen. Europamüdigkeit prägt das Bild - selbst Christen setzen ein Fragezeichen hinter ihr Wahlrecht, das eigentlich ja so selbstverständlich ist. Überhaupt stehen die Zeichen oft genug auf Resignation und Hoffnungslosigkeit.

Christ sein in Europa heißt, einzustehen für eine Politik des Friedens und der Versöhnung - in Europa und weltweit.

Die Umbrüche in der Ukraine und die Krim-Krise zeigen uns: Frieden ist keine Selbstverständlichkeit. Europa ist gefordert, den Auftrag des Friedensnobelpreises weiter zu erfüllen. Als Christen sind wir Impulsgeber echter Versöhnung. Das, was Charles de Gaulles und Konrad Adenauer zur Geburtsstunde Europas möglich gemacht haben, muss uns Beispiel sein, wenn wir heute als globale Macht in der Welt wirken. Es muss auch dann Leitbild sein, wenn es darum geht, weltweit für die Rechte verfolgter Christen und aller Vertriebenen einzustehen, eine nachhaltige und menschenfreundliche Entwicklungspolitik zu schaffen.

Christ sein in Europa heißt, einzustehen für eine Politik, die die Schöpfung bewahrt.

Darauf bauend, haben wir eine Resolution des Europäischen Parlaments durchgesetzt, die sich klipp und klar gegen Klonen, gegen jegliches Patent auf Leben wendet. Wir haben die EU-Saatgutrichtlinie abgelehnt, die uns einen Kniefall vor Genindustrie und Einheitssaatgut abverlangt hätte - zu Lasten der Artenvielfalt. Wir stehen für konsequenten Klimaschutz und haben eine neue EU-Agrarpolitik geschaffen, die den ökologischen Einsatz unserer Landwirte belohnt. Wir haben erreicht, dass die EU-Kommission die Gentechnik beim Handelsabkommen mit den USA ausklammert – und wir werden die Verhandlungen zu TTIP auch weiterhin kritisch begleiten. Gemeinsam mit Umweltschützern und Landwirten sind die christlichen Kirchen Motor einer nachhaltigen Umweltpolitik in Europa.

Christ sein in Europa heißt, einzustehen für eine Politik der Solidarität und der Gerechtigkeit.

Wir Christen im Europaparlament haben uns in den vergangenen Jahren vielfach schützend vor Ehe und Familie als Keimzelle von Staat und Gesellschaft gestellt. Wir treten ein für echte Vereinbarkeit von Familie und Beruf - und fordern, gemeinsam mit einer starken Sonntagsallianz unserer katholischen Verbände, von der Wirtschaft Freiräume wie den arbeitsfreien Sonntag und das "Grundrecht auf Unerreichbarkeit". Wir stehen europaweit ein für ein Miteinander der Generationen, für gesellschaftliche Teilhabe und die Achtung des würdevollen Lebens von seinem Beginn bis zum natürlichen Ende. Wir arbeiten an einer europäischen Sozialpolitik, die Gerechtigkeit fördert und Sozialdumping stoppt, die jungen Menschen Arbeit und Perspektiven gibt und die die europäische Solidarität untrennbar mit der gegenseitigen Verantwortung verknüpft.

All das haben wir durch unser Christ sein in Europa gestärkt - und trotzdem: Von Stolz und Freude ist auch in unseren Reihen kaum eine Spur. Europa steht bei vielen Bürgern am Pranger, so manch politische Kraft nährt sich allein aus europäischer Fundamentalkritik. Die Bürger zweifeln am Sinn der Europawahl.

Ja zu Europa – Ja zu aktivem Mitgestalten

Ist das Projekt Europa etwa schal geworden? Ein Bild, das Bände spricht - gerade, wenn wir als Christen unsere Rolle als Bürger überdenken: "Ihr seid das Salz der Erde" - so steht es in Matthäus 5,13. Ein Auftrag, der uns auch im europäischen Kontext in die Pflicht nimmt - ganz besonders in diesen schwierigen Zeiten. Für uns Christen steht hinter dem europäischen Friedensprojekt kein Fragezeichen.

Wir sagen ja zu Europa - aber nicht kritiklos ja zu allem, was Europa macht. Unsere Antwort auf falsche Weichenstellungen ist nicht die Resignation. Unsere Antwort heißt Teilnahme, heißt mitgestalten, heißt europaweite Vernetzung nach dem ZdK-Erfolgsmodell IXE - Initiative Christen für Europa. Unser gemeinsamer Auftrag: Christ sein in Europa - und wirken. Wie das Salz.

Wählen gehen

Am 25. Mai 2014 haben wir Christen die Chance, Europas einziges demokratisch legitimiertes und im Sinne der Bürger einflussreichstes Organ, das Europäische Parlament zu wählen. Wir entscheiden darüber, wer in den kommenden fünf Jahren unsere Interessen und Werte in Straßburg vertritt. Wer nicht wählt, vergibt diese Chance. Rechtsextreme Gruppen wie NPD und Republikaner bekommen nach Wegfall jeglicher Sperrklausel die Chance, sich ausgerechnet im Europäischen Parlament eine Bühne für ihre kruden nationalistischen Ideen zu verschaffen - staatlich finanziert durch Geld der Steuerzahler. Wir dürfen nicht einfach zusehen, wie Radikale und Europaskeptiker sich in Straßburg etablieren.

Europa gibt es auch am 26. Mai und weit darüber hinaus. Es liegt aber an uns, welches Europa wir wollen – und wer in Europa Einfluss hat: Gehen Sie zur Wahl!

Katholische Soziallehre als Wertekanon

Unsere Ziele sind klar. Sie sind und bleiben geleitet von den Grundzügen der katholischen Soziallehre - den passenden Antworten auf die drängendsten Probleme unserer Zeit. Den Beweis dafür haben wir in den vergangenen Jahren bereits erbracht: Viele der politischen Antworten auf die anhaltende Krise bauten - mehr denn je - auf die Grundzüge unserer Soziallehre. Viele der Fehlentwicklungen fanden ihren Nährboden im gesellschaftspolitischen Gegenteil: Finanz- und Schuldenkrise entstanden dort, wo Werte fehlten. Sie explodierten dort, wo Freiheit und Verantwortungsbewusstsein voneinander geschieden waren, wo moralische Grenzen aufgehoben schienen. Selbst die viel zitierte bürokratische Regelungswut Brüssels hat im Grunde ihren Ursprung in der Missachtung katholischer Grundregeln: Dann nämlich, wenn die Prinzipien der Subsidiarität und der Personalität verletzt werden.

Es gibt noch viele Bereiche der Europäischen Politik, die zukünftig besser funktionieren können, wenn weitere Grundprinzipien Geltung finden. Umwelt- und Klimaschutz, Asyl- und Migrationspolitik, aber auch wichtige Themen wie der Datenschutz. Papst Franziskus selbst hat uns mehrfach daran erinnert, welche Verantwortung wir gegenüber den Armen und Wehrlosen, den Kranken und den Behinderten haben.

Nun mag man dagegenhalten und sagen: Für all das stehen nicht nur christliche, nicht nur bekennend katholische Politiker. Das stimmt. Dennoch sind sie es, die über ihren Glauben das offene Bekenntnis zu all diesen Prinzipien geben. Sie sind es, die den Wähler explizit um dieses Vertrauen bitten: Sie wollen Christ sein im Europäischen Parlament. Das zusammen macht sie zu tragenden Säulen, wenn wir unsere christliche Vision vom gelebten Europa der Werte, der Bürger und der Regionen gesamtgesellschaftlich etablieren wollen.

Christ sein in Europa

Unsere christliche Botschaft ist eine Botschaft der Hoffnung. Sie sollte auch unser Christ sein in Europa prägen. Es ist unsere Überzeugung, dass das "europäische Projekt" von einem positiven Menschenbild inspiriert ist. Angesichts der Schulden- und Finanzkrise in der EU muss exakt dieses "wahre und richtige Menschenbild" in den Mittelpunkt unserer politischen Arbeit rücken. Ein Menschenbild, das zwingend verbunden bleibt mit dem Bild Gottes und dem Bild des Menschen, wie es uns in Jesus Christus gezeigt wird.

Es ist aber auch das Menschenbild, das uns als Bürger in die Pflicht nimmt, das uns Verantwortung schenkt. Und die Freiheit, zu wählen. Haben wir den Mut zum Christ sein in Europa. Haben wir den Mut zu Hoffnung, zu Aufbruch und Neuanfang. Beginnen wir damit am 25. Mai 2014 - und setzen wir mit unserer persönlichen Europawahl ein Zeichen. Kein Fragezeichen - sondern ein Hoffnungszeichen: Für ein besseres Europa.

 

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Martin Kastler: Für ein besseres Europa!