Richterová: "Aus den Fehlern der anderen Parteien lernen!"

Premiere bei der Ackermann-Gemeinde hatte beim jüngsten themenzoom Dr. Olga Richterová, die stellvertretende Vorsitzende der Piratenpartei in Tschechien. Sie referierte zum Thema „Wie steht es um die deutsch-tschechischen Beziehungen“ und stellte sich den Fragen der Zuhörer. Richterová ist auch Vorsitzende der deutsch-tschechischen Freundschaftsgruppe in der Abgeordnetenkammer der Tschechischen Republik und gehört dem Beirat des deutsch-tschechischen Gesprächsforums an. Kurzum, mit der an sie herangetragenen Thematik ist sie bestens vertraut.

„Wir werden nicht weniger – trotz Biergarten“, stellte Moderator Rainer Karlitschek in seiner Begrüßung angesichts 49 zugeschalteter Computer aus Deutschland, Tschechien, Österreich, der Schweiz und sogar aus Frankreich fest. „Olga Richterová wäre heuer beim Brünner Symposium dabei gewesen“, verriet er und nannte ihre verschiedenen Funktionen in ihrer Partei und im tschechischen Parlament, dem sie seit 2017 angehört. Gleich einleitend fragte der Moderator nach den Unterschieden der Piratenpartei in Tschechien und Deutschland – hier stand diese politische Kraft ja nur kurz im Rampenlicht.

Zur Klärung dieses Sachverhaltes holte Richterová etwas weiter aus. Sie verwies auf die liberalen und grünen Parteien in den beiden Ländern, die zu einem guten Teil von der Generation der jungen Familien getragen würden. Ebenso ging sie auf die Phase der Parteineugründungen in der Zeit um 2009 ein, wo auch in Tschechien die Partei der Piraten entstand. Die Herausforderungen durch die digitalisierte und sich verändernde Welt sowie in den folgenden Jahren weitere gesellschaftliche Themen hätten die Piraten in Tschechien aufgegriffen. „Die Grüne Partei war bei uns etwas diskreditiert“, stellte die Referentin zudem fest. So hätten die Piraten deren Klientel angesprochen und sich 2017 bei der Wahl des Abgeordnetenhauses zur drittstärksten Kraft entwickelt. Für sie selbst – Linguistin und Übersetzerin von Beruf – sei bei ihrem bürgerschaftlichen Engagement (z.B. internationaler Jugendaustausch) deutlich geworden, dass dies „ohne Parteipolitik nicht geht“. Nach ihrer Wahl 2014 in das Prager Stadtparlament habe sie sich für die Piratenpartei entschieden, zumal einer ihrer Brüder zu den Parteigründern gehörte. „Es macht Spaß, nicht nur zu kritisieren, sondern etwas zu tun und sich zu engagieren“, fasste sie zusammen. Als Grund dafür, dass die Piraten inzwischen die zweitstärkste Partei in Tschechien sind, nannte sie, dass ihre Partei von den Fehlern der Mitbewerber lernt bzw. gelernt hat und die Politik auf Fakten und Argumenten beruhe.

Auf die Frage Rainer Karlitscheks nach der deutsch-tschechischen Partnerschaft und den zwischenstaatlichen Beziehungen meinte Richterová, dass Deutschland „der wichtigste Nachbar und Partner“ sei, ihre Urgroßmutter Sudetendeutsche gewesen sei und Verwandte in Leipzig lebten. Somit sei der Aspekt „Deutsch“ in ihrer Familie schon immer von Bedeutung gewesen. Die Frage von Werner Honal nach der Stadt-Land-Verteilung der Piraten beantwortete Richterová dahingehend, dass ihre Partei überall gut abgeschnitten habe. Prof. Dr. Bernhard Dick interessierte die Zuordnung der Piraten im Parteienlager. Grundsätzlich wehrte sich die Politikerin gegen Ideologien bzw. Schwarz-Weiß-Weltbilder. Für die Piraten seien die Themen Umwelt/Klima, Soziales sowie Gerechtigkeit zentral, dazu das ursprüngliche Thema „Digitalisierung“. „Wir haben die Digitalisierung als Staat verpasst“, stellte sie Tschechien in diesem Punkt ein schlechtes Zeugnis aus.

Ähnlich beurteilte sie den Umgang mit der Corona-Pandemie in ihrem Heimatland. „Zwar ist genug Knowhow vorhanden, aber die zentrale Koordinierung war schlecht“, bezog sie klar Stellung. Nicht vorstellen kann sie sich, dass der Prager Bürgermeister Zdeněk Hřib, der ebenfalls den Piraten angehört, Ambitionen auf ein höheres politisches Amt hat.

Abschließend brachten Karlitschek und der Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde Matthias Dörr den Aspekt „Sudetendeutsch“ in die Diskussion. „Dieser Punkt funktioniert leider immer noch. Wir sind mit unserer Vergangenheit noch nicht klar gekommen. Vor allem in Regionen, in denen die deutsche Präsenz noch spürbar ist. Die jüngere Generation ist eher offen, bei der älteren ist es schwierig“, führte Richterová dazu aus. Wichtig ist für sie, positiv in die Zukunft zu schauen und das zu ändern, was man ändern kann. Bezüglich der Beschäftigung und Aufarbeitung der Geschichte sollten die Parteien die Rahmen setzen. Außerdem weist sie der Bildung in diesem Kontext eine hohe Bedeutung zu.

 

Markus Bauer

Dr. Olga Richterová, Abgeordnete des tschechischen Parlaments.
An den jeweils rund 50 zugeschalteten Computern folgten rund 70 Personen den Ausführungen der tschechischen Politikerin der Piraten.
Moderator der themenzooms ist Rainer Karlitschek, Mitglied im Bundesvorstand der Ackermann-Gemeinde.