Spannende Flucht aus Afghanistan und gelungene Integration

Hassan Ali Djan berichtete im Kulturzoom der Ackermann-Gemeinde

Eine Flucht- und Integrationsgeschichte stand im Mittelpunkt des jüngsten Kulturzooms der Ackermann-Gemeinde: die Erlebnisse und Eindrücke des aus Afghanistan stammenden Hassan Ali Djan (33), der im Alter von 16 Jahren für seine Familie nach Deutschland floh. „Es ist erstaunlich, dass nach zwei Jahren Zoom-Veranstaltungen immer wieder neue Leute dazukommen“, freute sich Moderatorin Sandra Uhlich angesichts fast 60 zugeschalteter Computer mit einem guten Teil mehr Interessenten.

Hassan Ali Djan ist kein Unbekannter bei der Ackermann-Gemeinde. Schon mehrmals hat er bei Veranstaltungen seine Erfahrungen geschildert und darüber inzwischen auch ein Buch geschrieben: „Afghanistan. Deutschland. Ich. Meine Flucht in ein neues Leben“ lautet der Titel, und Sandra Uhlich las daraus ein paar Passagen vor, die Djan dann erläuterte und vertiefte.

Der im Jahr 1989 in Almitu (Afghanistan) geborene Djan floh mit 16 Jahren über die Türkei und Griechenland nach München, wo er 2005 ankam. Nach seiner abgeschlossenen Lehre hat er erfolgreich die Meisterschule für Elektrotechnik absolviert und sich Anfang dieses Jahres selbständig gemacht. Er besitzt seit 2015 die deutsche Staatsbürgerschaft, ist verheiratet und lebt in München. Seine Mutter sowie seine drei Schwestern und drei Brüder leben in Afghanistan, er konnte ihnen von München aus Schule und Studium finanzieren. Nach dem Rückzug der internationalen Truppen aus Afghanistan 2021 und der Machtübernahme durch die Taliban hat sich die Situation für seine Familie verändert: Es herrscht große politische und wirtschaftliche Ungewissheit, nicht nur für seine Geschwister fehlen die Zukunftsperspektiven.

In der ersten Szene aus dem Buch ging es um Djans im Alter von 42 Jahren verstorbenen Vater und die weitere Versorgung der Familie. Da die Verwandten dazu nicht beitragen konnten, musste der damals elfjährige Junge diese Aufgabe übernehmen, zumal die Mutter zu dem Zeitpunkt mit Djans jüngster Schwester schwanger war. Er arbeitete als Hirte bzw. Diener bei einem Bauern, und das bei nicht selten widrigem Wetter, das sogar das mitgenommene Essen steinhart werden oder aufweichen ließ. Oft wurde er zudem von den Bauern angeschrien oder sogar verprügelt, sodass langsam der Entschluss reifte, im Iran Arbeit zu suchen.

„Ich machte mir damals viele Gedanken, um die Familie über Wasser zu halten. Letztlich gab es keine andere Möglichkeit. Schlimmer konnte es nicht werden“, beschreibt er heute im Rückblick die damalige Situation. Bis Kandahar war er im Kofferraum eines Autos – und das bei nicht asphaltierten Straßen. „Die Fahrt war die Hölle. Zwar tat sich unterwegs Verzweiflung auf, aber ich musste durchhalten, mit meinen Gedanken ins Lot kommen“, schildert Djan. Über Pakistan ging es in den Iran nach Teheran, wo er zunächst von der Größe der Stadt und dem vielen Autoverkehr etwas erschlagen war. Trotz seiner erst 16 Jahre fand er eine Arbeit am Bau, die Motivation bzw. „der treibende Gedanke bis heute“ war und ist die (finanzielle) Unterstützung der Familie in Afghanistan. Zusammen mit zwei Freunden entschied er sich dann, weiter nach Europa zu flüchten. Gemeinsam mit den beiden Freunden gelangte er nach Griechenland, wo nun aber jeder auf sich allein gestellt war bzw. seine Chance suchen musste. „Das war emotional sehr schwierig. Wenn einem was passiert, müssen die anderen weiter“, erklärt er diese neue Herausforderung, die vor allem den Blick nach vorne im Zentrum hatte.

Im Ersatzreifen im Unterbau eines LKW kam Djan bei einer dreitägigen Fahrt von Griechenland nach München, wo er zunächst in einem Flüchtlingslager unterkam. Hier setzte die zweite Szene aus dem Buch an, d.h. im Übergangswohnheim, wo er von Sozialarbeitern und einer ehrenamtlichen Caritas-Mitarbeiterin betreut wurde. Vor allem die Treffen mit der Caritas-Helferin waren für ihn hilfreich: er lernte neue Wörter kennen, erfuhr Vieles über Geschichte, Kultur und das politische bzw. demokratische System in Deutschland und konnte auch über sich und seine Familie sowie seine Probleme erzählen. Wichtig war für ihn das Erlernen der deutschen Sprache, „auch ohne zu wissen, ob man bleiben kann“.

Als Handlungsmaxime rät er nach seinen Erfahrungen: „Egal was passiert – ehrlich und direkt bleiben. Offenheit – nicht alles in eine Ecke schieben.“ Demgemäß hat er sehr viele Freundschaften gewonnen und dadurch andere, neue Wege und Ideen erhalten. Ob ein Bankmitarbeiter, der ihm im Fach Mathematik half, oder Studenten im Englischen Garten, wodurch er auf die Idee kam, an der Universität durch einen Aufruf Nachhilfekräfte zu finden. Auch hier gilt für Djan, ehrlich und offen um Hilfe zu fragen und diese dann auch anzunehmen.

Im Rückblick war für ihn die Zeit bis zum definitiven Erhalt der Aufenthaltszusage die schwierigste. „Das raubt Energie. Und wenn der Antrieb fehlt, kommt es zur Verzweiflung und zum Rückzug. Man traut sich nicht zu öffnen“, nennt er mögliche negative Folgen. Bei ihm haben die Begegnungen mit Menschen, die ihn unterstützten und mit denen er in Gespräche gekommen ist, diese Zweifel vermindert und ausgeräumt. Bei den aktuellen Ukraine-Flüchtlingen rät er, diese erst einmal ankommen und ihre Traumatisierungen verarbeiten zu lassen, und dann in einen Sprachkurs bzw. Ausbildung zu schicken.

Ob Djan noch Kontakt zu den beiden Freunden, mit denen er in Griechenland war, hat, wollte Prof. Dr. Bernhard Dick wissen. Der eine sei nach der Abschiebung aus Großbritannien zurück nach Afghanistan und wegen seiner Helfertätigkeit für ausländische Truppen von den Taliban erschossen worden. Der andere lebe in Italien, mit ihm sei Djan in Kontakt.

Nach dem gesellschaftlichen Umgang mit den Geflüchteten aus der Ukraine im Gegensatz zu früheren Flüchtlingen fragte die JA-Bundessprecherin Julia Schäffer. Für Djan ist die Nähe des Krieges der Grund für die höhere Hilfsbereitschaft. Der Fachkräftemangel in vielen Bereichen führe zudem dazu, dass versucht werde, die Leute möglichst überall unterzubringen. Darüber hinaus verwies er auf die Vorsicht bzw. Zurückhaltung gegenüber der islamischen Religion sowie dem Islamismus. Die Schicksale und Hintergründe seien unterschiedlich. „Die Menschen aus der Ukraine gehen wohl nach dem Krieg zurück“, fasste er zusammen.

Die Bedeutung des Glaubens als Kraftquelle sprach Christian Geltinger an. „Es gibt nur einen Gott, der die Welt und die Kreaturen geschaffen hat. Das glaube ich. Der Glaube spielt bei mir eine große Rolle“, bekräftigte der 33-Jährige.

Abschließend lenkte Moderatorin Uhlich den Blick auf die aktuelle Situation in Afghanistan und der Familie von Djan. Die Machtübernahme der Taliban sei ein „großer Rückschlag“ gewesen, vor allem für die jungen Menschen, denen vielfach Bildung und Perspektiven verwehrt würden. „Die jungen Menschen sind deprimiert. Es ist eine Rückentwicklung, die das Land kaputt macht“, bekannte der Elektrotechnikmeister. Auch weiterhin will er seine Mutter und seine Geschwister unterstützen, damit sie – trotz der fehlenden Perspektiven - ein möglichst gutes Leben führen können.

Markus Bauer

Ein Teil der an diesem Themenzoom Interessierten.
Moderatorin Sandra Uhlich bei der Begrüßung und Vorstellung des Referenten.
Hassan Ali Djan bei seinen Erläuterungen.
Die Bundessprecherin der Jungen Aktion Julia Schäffer fragte nach den Unterschieden der Flüchtlinge von 2015/16 und der aktuell Flüchtenden aus der Ukraine.
Die Kulturarbeit der Ackermann-Gemeinde im Institutum Bohemicum wird gefördert durch das Bayerische Staasministerium für Familie, Arbeit und Soziales.