Standpunkt von Dr. Axel Hartmann, Botschafter a.D., Bratislava
„Was können wir von den Ergebnissen der Europawahl erwarten?“
Alle fünf Jahre werden in den derzeit 27 Mitgliedstaaten der EU die 720 Parlamentarier für das Europaparlament gewählt. Dieser Wahl vom 6. bis 9. Juni war mit besonderer Spannung entgegengesehen worden, weil man europaweit einen Rechtsruck des Parlaments befürchtete. Dieser ist ausgeblieben, so dass eine Vielfach befürchtete Blockade des Parlaments ausgeblieben ist.
Insgesamt waren 360 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, das 10. Europäische Parlament zu wählen. Darunter in einigen Staaten erstmals Jungwähler ab dem 16. Lebensjahr. Die Wahlbeteiligung war höchst unterschiedlich. Während in Belgien 90 % wählen gingen, waren es in Deutschland immerhin noch 65 % und die Zahl sank in Tschechien und der Slowakei auf 36, bzw. 34 % ab, was deutlich zeigt, dass die Bedeutung des Europäischen Parlaments dort immer noch nicht richtig wahrgenommen wird.
Hinsichtlich des Ausgangs der Wahl war ein Wahlsieg der Europäischen Volkspartei vorhergesagt, der auch eintrat. Gefolgt mit deutlichem Abstand von den Progressiven/Sozialdemokraten, den Liberalen (Renew Europe) den Grünen, die in Deutschland deutliche Verluste hinnehmen mussten. Es gab eine deutliche Stärkung der Rechtspopulistischen Parteien. So konnte die AfD in Deutschland trotz der Skandale um ihre Spitzenkandidaten immer noch erstaunliche 17 % erzielen. Ein Ergebnis, das zeigt, unzufriedene Wähler suchen sich an den politischen Rändern ein Ventil, egal wie gut oder schlecht das Personal ist.
Erstaunlich war, dass bei den Jungwählern ab dem 16. Lebensjahr, die vor 5 Jahren die Grünen auf über 20 % gewählt hatten, diesmal eine Präferenz zugunsten der politischen Ränder zu verzeichnen war. So haben AfD und Volt besonders gut bei den Erstwählern abgeschnitten, und nicht die Grünen, die sich von der Senkung des Wahlalters einen zusätzlichen Schub erhofft hatten. Insgesamt hat diese Wahl eine Verschiebung der Wahl nach Rechts, aber keinen Rechtsruck gebracht, wie das vielfach vorher befürchtet worden war.
Mit der Starken Mitte der traditionellen demokratischen Parteien wurde die bisherige Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits am 18. Juli mit 401 gegen 284 Stimmen wiedergewählt. Aufgrund der neuen Themenschwerpunkte hat sie auch gleich Prioritätsverschiebungen angekündigt. Sie sieht neue Schwerpunkte in der Änderung der Klima- und Verkehrspolitik und kündigte eine Aufweichung des radikalen EU-Verbrennerverbots bei Automobilen an. Auch in der Frage der illegalen Migration wird es künftig eine härtere Linie geben. Dies ist auch eine Antwort auf die Erstarkung rechtspopulistischer Parteien. Zudem soll ein „Schutzschild für Demokratie“ errichtet werden, das den künftigen Bedrohungen der demokratischen Ordnung in Europa entgegenwirken soll. Man darf gespannt sein, wie das konkret wirkt.
In der Außenpolitik der EU dürften künftig klarere Vorstellungen herrschen. Die zur neuen Außen Beauftragten gewählte Amtsinhaber Estin Kallas dürfte einen klareren Kompass hinsichtlich der Bedrohungen aus dem Osten haben als der bisherige spanische Amtsinhaber. Von ihm hatte man manchmal den Eindruck, er irrlichtert durch die Spannungen der Welt. Da wird es in Zukunft klarere Konturen geben und das ist gut für die Bewahrung von Frieden und Freiheit in Europa angesichts multipler Bedrohungen.
Dr. Axel Hartmann, Botschafter a.D., Bratislava