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Tschechische und deutsche Kirche bekräftigen Weg der Versöhnung

Es war ein Treffen von historischer Dimension: Zwanzig Jahre nach dem Briefwechsel zwischen den deutschen, tschechischen und slowakischen Bischöfen kamen der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Dr. Robert Zollitsch und der Vorsitzende der Tschechischen Bischofskonferenz, Erzbischof Dominik Duka OP am 18. November in Prag zusammen. Eingeladen zu der Feierstunde unter dem Motto „Die Wahrheit und die Liebe machen uns frei“ hatte die beiden Oberhirten gemeinsam mit der Ackermann-Gemeinde. Festredner war auch der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg.

Unter dem Leitwort „Schritte auf dem Weg der Versöhnung“ würdigten die Vorsitzenden der Tschechischen und der Deutschen Bischofskonferenz die positive Entwicklung im Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen. Bei seinem Besuch in Prag sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch: „Versöhnung berührt die Tiefenschichten der Beziehungen und wagt sich an die Verwundungen und Brüche der Identität. Gefordert ist die Bereitschaft, die Opfer in den Mittelpunkt der Erinnerung zu stellen, Leiden anzuerkennen und sich auf ihre Perspektive einzulassen.“ Der Freiburger Erzbischof lobte die Annäherung zwischen Tschechen und Deutschen als eine ehrliche Aufarbeitung historischer Konflikte: „Dazu gehörte auch, dass beide Seiten ihren Blick mit ausgeprägter Schärfe auf die Tätergeschichte der eigenen Staaten und Völker richteten, anstatt Ausflucht zu suchen in der Beruhigung, die der eigene Opferstatus bereit hält.“ Zollitsch würdigte die Arbeit der Ackermann-Gemeinde. Nach der Vertreibung hätten sich viele Katholiken schon früh dazu entschieden, Brücken der Verständigung zwischen der alten und der neuen Heimat zu bauen, statt die verlorene Heimat zurück zu verlangen: „Genau dies ist bis heute die selbstgestellte Aufgabe der 1946 gegründeten katholischen Ackermann-Gemeinde.“ Er lenkte auch den Blick auf die Zukunft: „Die gemeinsame Gegenwart und Zukunft unserer Völker heißt Europa. Europa lebt aus einer gemeinsamen Kultur, die sich in einer Vielfalt von religiös-konfessionellen, regionalen und nationalen Prägungen ausdrückt.“ Dabei seien die Gestaltungskräfte des Christentums hinsichtlich der kulturellen Evolution in Europa deutlich zu beachten. „Nicht weniger entscheidend aber ist das konkrete Zeugnis, das wir als Kirche und Christen heute in unseren Gesellschaften ablegen“, so Zollitsch.

Der Vorsitzende der Tschechischen Bischofskonferenz, Prags Erzbischof Dominik Duka OP, würdigte die Rolle der Kirche bei der Versöhnung der Länder: „Die von dem kirchlichen Milieu aus getanen Versöhnungsschritte fanden ein Echo zum Teil auch in einigen Bürgerinitiativen und trugen in den vergangenen Jahren zu einer bedeutenden Besserung der Beziehungen zwischen unseren Ländern und Völkern bei.“ In den vergangenen 20 Jahre gemeinsamer Arbeit sei der tschechischen Seite vieles klar geworden und man habe gemeinsam viel erlebt. „Aber warum hat es 45 Jahre bis zur Vergebung und Versöhnung gedauert?“ fragte Duka. Er verwies auf das Engagement der Heimatvertriebenen. „Sie, die Ihre Heimat verloren haben, waren unter den Ersten, die zehn Jahre nach dem Krieg zur Vergebung und Versöhnung bereit waren“, erinnerte er an die ersten diesbezüglichen Schritte der Ackermann-Gemeinde im Jahr 1955. Auf tschechischer Seite habe es damals kein echtes Bewusstsein für den Verlust von Heimat gegeben. „Einige Jahre später wurden wir zu Fremden in unserem Land. Viele haben auch die schwierige Okkupation erlebt und wurden erniedrigt“, erinnerte er an die Zeit des Kommunismus, in der auch die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen den Bischöfen schwierig waren. Umso größer sei 1990 „die Freude über die Begegnung gewesen und darüber, dass es die Vergebung und eine gemeinsame Zukunft gibt“, so Duka. Er erinnerte an weniger gute Kontakte zwischen den Volksgruppen in der ersten tschechischen Republik. Doch wichtig ist für den Prager Erzbischof „das Bewusstsein, dass dieses Land unsere gemeinsame Heimat war und ist. Was geschehen ist, kann nicht ungeschehen gemacht werden. Das gegenwärtige Europa ist die Garantie für Frieden“, verdeutlichte der Chef der Tschechischen Bischöfe, für den das Kreuz das einzig gültige Symbol einer echten Versöhnung ist. „Das heutige Treffen soll uns motivieren, Wächter der guten nachbarschaftlichen Beziehungen zu sein, Bewahrer des Friedens in der Mitte Europas“, fasste der Prager Erzbischof zusammen. Nach der Verarbeitung der gemeinsamen Geschichte, müssten nun „gemeinsame Themen gesucht werden, die wichtig für die weitere Entwicklung des ganzen europäischen Hauses sind“, sagte Duka weiter. Das „betreffe die Erhaltung der christlichen Kultur und der Identität unseres Erdteils unter Beibehaltung von Toleranz und Ablehnung von Xenophobie und Rassismus. Solidarisch mit den sozial Benachteiligten und allen Leidenden soll der christliche Weg zu Lebensalternative und Lebenszeugnis werden“.

Martin Kastner MdEP, Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde, erinnerte an den Aufbruch im Jahr 1990: "Der Briefwechsel, an den wir heute erinnern, steht für den Beginn einer neuen Ära unserer Nachbarschaft nach Mauerfall und Samtener Revolution. Ich danke den Bischöfen für ihren Mut und gratuliere ihnen." Weiter betonte er die gutnachbarschaftlichen Beziehungen: "Blicken wir heute auf die deutsch-tschechische Nachbarschaft, stellen wir fest, dass die Versöhnung zwischen Deutschen und Tschechen, auch zwischen Sudetendeutschen und Tschechen, durch die gemeinsamen Bemühungen vieler Menschen guten Willens erkennbar weiter vorangekommen ist. Inzwischen sind Menschen aller Gesellschaftsschichten einander näher gekommen. Versöhnung wird gelebt und auf vielfältigste Weise über Grenzen und alte Gräben hinweg gestaltet." Kastler weiter: „Gemeinsam sollten wir an dem Ziel einer versöhnten Nachbarschaft in Europa weiterarbeiten, damit man in naher Zukunft über Deutsche und Tschechen sagen kann: Die beiden Völker haben ihre Lektion aus den Verwirrungen des 20. Jahrhunderts gelernt und pflegen eine vorbildliche Zusammenarbeit.“ An das Jubiläum zwei Jahrzehnte nach dem Umsturz in Tschechien erinnerte auch Jaromír Talíř, früherer tschechischer Kulturminister und jetzt Vorsitzender der Sdružení Ackermann-Gemeinde. Der Schwesterverband der Ackermann-Gemeinde wurde zwar erst 1999 gegründet, „aber als Bürger und Christen haben wir diesen Schritt begrüßt“, blickte Talíř zurück. Sein Verband stehe auch der säkulare Gesellschaft offen, damit das Thema „Versöhnung“ und Fakten über die neueste Geschichte „ohne Ideologie“ dort präsent werde.

Eine Bilanz und einen Ausblick wagte Tschechiens Außenminister Karel Schwarzenberg in seiner Rede. Den Briefwechsel sah er als „Durchbruch in den deutsch-tschechischen Beziehungen“, als gravierenden Fortschritt, der jedoch von der breiten Masse nicht wahrgenommen wurde. Dagegen hätten oft Vorurteile im Mittelpunkt gestanden. Heute herrsche jedoch, so der Außenminister, eine große Offenheit - vor allem bei der jungen Generation. „Das Regime, das herrschte, war ein großer Eisberg. Deshalb wurde durch den Frost vieles beibehalten“, kommentierte Schwarzenberg die zum Teil langen Nachwirkungen des Kommunismus. „Heute können wir uns damit auseinandersetzen, (sudeten)deutsch-tschechische Themen stoßen auf Neugier und große Offenheit“, skizzierte er die jetzigen Rahmenbedingungen, wo Enkel ihre Großväter nach den Vorkommnissen von damals fragen. Rückblickend auf seine ersten Kontakte in den 50er Jahren zur Ackermann-Gemeinde wies er den Kirchen auf beiden Seiten eine wichtige Rolle im Versöhnungsprozess zu. „Es hat uns geholfen, uns auch mit den eigenen Problemen auseinanderzusetzen. Jeder muss sich selbst reinigen“, beendete er den Rückblick. Beim Ausblick in die Zukunft machte Schwarzenberg deutlich, dass sich die deutsch-tschechischen Beziehungen normalisieren werden. „Die Zusammenarbeit zwischen den Katholiken soll nicht aufhören. Es wird darum gehen, ob wir den Glauben in unseren Ländern verteidigen können. Wir sind sehr leise geworden, trauen uns kaum noch, ein klares Wort zu sprechen“, wurde der Außenminister deutlich und appellierte gleichermaßen an Priester und Laien, mehr Zivilcourage zu zeigen. „Etwas mehr Mut würde uns ganz gut anstehen. Dann dürfen wir auch hoffen, glaubwürdig zu werden, denn die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Vertreter hat gelitten“. Für die weitere Versöhnung riet Schwarzenberg, sich auf die eigene Vergangenheit zu besinnen, eigene Schuld zu bekennen, was durch den Briefwechsel der Bischöfe schon geschehen ist. „Damit können wir die gemeinsamen Probleme angehen, uns den Herausforderungen unserer Zeit jetzt stellen“, schloss der Außenminister seine Festrede. Die Geistlichen Beiräte der Ackermann-Gemeinde Prof. Dr. Albert-Peter Rethmann und der Sdružení Ackermann-Gemeinde Prämonstratenserpater Adrián Zemek beschlossen mit einem gemeinsamen Gebet die Feierstunde, der sich ein Empfang anschloss.

An der Festveranstaltung, zu der die beiden Konferenzvorsitzenden in Zusammenarbeit mit der Ackermann-Gemeinde eingeladen hatten, nahmen zahlreiche Vertreter aus Deutschland und der Tschechischen Republik teil. Darunter waren neben den Festrednern unter anderem der Bischof von Dresden-Meißen Joachim Reinelt, weitere tschechische Bischöfe, der apostolische Nuntius in Tschechien Erzbischof Diego Causero, der Bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus Dr. Ludwig Spaenle, der deutsche Botschafter in Prag Johannes Haindl und Abgeordnete der Parlamente aus beiden Ländern.

Während seines Besuchs in Prag traf der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, auch mit Vertretern der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Prag zusammen. Zudem standen Gespräche in der Konrad-Adenauer-Stiftung und in der Deutschen Botschaft in Prag auf dem Programm, an denen auch der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde Kastler teilnahm. Auftakt bildete am Morgen ein Gottesdienst der beiden Bischofskonferenzvorsitzenden Duka und Zollitsch in der Wenzelkapelle im Veitsdom, dem sich ein gemeinsames Gebet am Grab von Kardinal Tomášek anschloss.

Markus Bauer/ag

Kastler, Zollitsch, Scharzenberg und Duka (v.l.)