Unfassbare Schicksale von Zwangsprostitution und Menschenhandel

Als Mitglied im Aktionsbündnis gegen Frauenhandel befasste sich die Ackermann-Gemeinde beim diesjährigen Sudetendeutschen Tag in Augsburg mit dem Thema „Menschenrechtsverletzungen über Grenzen: Frauenhandel und Zwangsprostitution – ein deutsch-tschechisches Phänomen“. Die Filmemacherin Marion Pfeifer und Anna Lüttich von KARO e.V. informierten über dieses erschreckende Phänomen.

Martin Panten, stellvertretender Bundesvorsitzender der Ackermann-Gemeinde, konnte unter den Zuhörern auch den Generalkonsul der Tschechischen Republik in München Milan Čoupek und den SL-Bundesvorsitzenden Bernd Posselt willkommen heißen. Monsignore Dieter Olbrich, Geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde und zugleich Visitator für die Sudetendeutschen und Karpatendeutschen, wies in seiner Einführung auf Aussagen von Papst Franziskus hin, der mit deutlichen Worten den Menschenhandel unter anderem als „moderne Sklaverei“ sowie „ständig präsente Geisel auch im Tourismus“ und „Kehrseite der Globalisierung“ anprangerte.

Als „Aufforderung an Christen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen“, begründete Martin Panten die Auswahl dieses Themas zu diesem Anlass. Denn Verletzungen von Menschenrechten stünden – wie oft in den Medien dargestellt – nicht nur in China, Afrika oder Südamerika an der Tagesordnung, sondern – in Form des Menschenhandels und der damit verbundenen Fakten Drogenhandel, Zwangsprostitution und Schleuserkriminalität – auch bei uns, und das quasi seit den Jahren der Grenzöffnung direkt vor der Haustür in den Grenzräumen zu Tschechien und Polen. Panten wies auf das im Jahr 2000 in Freising gegründete Aktionsbündnis gegen Frauenhandel hin, in dem die Ackermann-Gemeinde aktiv mitarbeitet. „Nur ein Bruchteil der Verbrechen und Menschenrechtsverletzungen wird festgestellt“, deutete er die hohe Dunkelziffer in diesem Bereich an und nannte die mit dem Menschenhandel oft verbundenen Delikte Drogen- und Waffenhandel. Anhand eines längeren Ausschnitts aus dem Film „Zeit der Namenlosen“ (2012) von Marion Leonie Pfeifer wurde die Thematik mit konkreten Fallbeispielen und O-Tönen von Betroffenen vertieft.

„Viele niederschmetternde Fälle“ habe sie im Kontext ihrer bisherigen Beschäftigung mit diesem Thema kennengelernt, erklärte in der anschließenden Gesprächsrunde die Filmemacherin. Dies verweise zugleich auf eine „riesige Dimension des Menschenhandels und der Armutsvermarktung“. Diese Zunahme sei auch eine Folge der in den letzten ca. 20 Jahren fast überall neu entstandenen Bordelle und Laufhäuser mit entsprechenden Anteilen an Zwangsprostituierten. „Es ist ein Leichtes für die organisierte Kriminalität, Druck aufzubauen. Zudem verdient der Staat ja viel durch Prostitution“, erläuterte Pfeifer. Die Ambivalenz staatlichen Handels zeigte die Filmemacherin anhand der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an die Prostitutionsgegnerin Schwester Lea Ackermann und des gleichzeitigen laschen Gesetzeswerkes gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel auf. Zwar komme der überwiegende Teil der betroffenen Mädchen und Frauen aus Mittel- und Osteuropa, aber auch Betroffene aus Deutschland und Westeuropa sind darunter. Und in den allermeisten Fällen seien die Frauen traumatisiert und bedürften nach ihrem Ausstieg entsprechender Behandlung. „Gezeichnet ist jede Frau, es geht nicht aus der Seele heraus. Es ist etwas, was man nie verarbeiten wird“, blickte Pfeifer auf die langfristigen Folgen für die Betroffenen. Befragt nach den Reaktionen auf ihren Film, meinte sie, dass den Zuschauern meist das Ausmaß der Zwangsprostitution und des Menschenhandels sowie der damit verbundenen Delikte nicht bewusst sei. Aber man dürfe „Prostitution und Zwangsprostitution nicht in einen Topf werfen“, so die Filmemacherin, die persönlich aber grundsätzlich gegen Prostitution ist, jedoch dafür votiert, „dass sich jeder seine Gedanken machen soll“.

„Die meisten Frauen sind schwer traumatisiert“, bestätigte auch Anna Lüttich, die als Sozialarbeiterin bei KARO e.V. in Plauen tätig ist. Seit 1994 setzt sich die Vereinigung für die Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution ein und ist grenzüberschreitend im sächsisch-tschechischen Grenzgebiet aktiv. Die Tätigkeit umfasst beim Kontakt mit den Frauen die Übergabe von Präventionsmitteln sowie Angebote zur Ausstiegsberatung und -hilfe. Dazu dient auch ein spezielles Schutzhaus. „Wir sind immer wieder mit unfassbaren Schicksalen konfrontiert“, schilderte Lüttich und berichtete von einer aus der Slowakei stammenden Frau. Sogar deren Kind scheint sexuell missbraucht worden zu sein. Ebenso schilderte sie, dass sogar zwölfjährige Mädchen zur Prostitution gezwungen werden, die Anwerbung über bestens organisierte Händlersysteme abläuft, die Frauen rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen und mit Androhung von Bestrafungen gefügig gemacht werden. „Fast immer kommen die Opfer aus sozial benachteiligten Gruppen, und das Wohlstandsgefälle ist eine der Hauptursachen“, konkretisierte die Sozialarbeiterin und verweist auch auf die Herkunft aus Kinderheimen, in denen die Kinder und Jugendlichen (auch sexuelle) Gewalt erlebt haben und keine Bezugspersonen hatten. Bei älteren Frauen kämen, um die erlittene Gewalt zu verarbeiten, nicht selten Spielsucht oder Drogenabhängigkeit dazu. „Die Dunkelziffer ist sehr hoch, zur Verfolgung der Verbrechen kommt es nur bei einer Anzeige. Oft fehlt auch das Vertrauen gegenüber den Behörden“, charakterisierte Lüttich die Situation der juristischen Beschäftigung. „Ein Großteil der Verbrechen bleibt ohne Strafverfolgung“. Die Forderung der KARO-Mitarbeiterin ist eindeutig: Reform des Prostitutionsgesetzes, da die Veränderungen von 2002 für sie äußerst unbefriedigend waren. „Jede gerettete Frau ist für uns genug Antrieb für unsere Arbeit“, lautet ihr Fazit. Und ihre Grundeinstellung bleibt: „Wir sind gegen Prostitution aufgrund dessen, was wir erlebt haben!“ Für wichtig hält Lüttich aber auch einen generellen Umdenkprozess in der Gesellschaft.

Markus Bauer/ag

 


Zum Aktionsbündnis gegen Frauenhandel: www.gegenfrauenhandel.de

Berichtete vor rund 100 Zuhörern:<br/ >M. Pfeifer (l) und A. Lüttich (r.) mit<br/ >Moderator M. Panten.