„Verpflichtung für uns, ihr Schicksal zu würdigen“

Vor der liturgischen Feier zur Seligsprechung von Pater Engelmar Unzeitig am Samstag, 24. September, gab die Stadt Würzburg im Rathaus einen Empfang. Bei diesem stand nicht nur das Leben und Wirken des Mariannhiller Missionars im Mittelpunkt. Darüber hinaus wurde auch die erstmals gezeigte Ausstellung „Zeugen für Menschlichkeit“ über den christlichen sudetendeutschen Widerstand in den Jahren 1938 bis 1945 präsentiert. Sie steht unter der Schirmherrschaft des tschechischen Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka und des Vorsitzenden der Tschechischen Bischofskonferenz Kardinal Dominik Duka. Gemeinsam erarbeitet wurde sie von der Ackermann-Gemeinde mit der tschechischen Sdružení Ackermann-Gemeinde und der Tschechischen Christlichen Akademie.

Im Ratssaal der Stadt begrüßte der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt die Gäste. Neben Daniel Herman, Minister für Kultur der Tschechischen Republik, nahmen daran auch Dr. Milan Čoupek, Generalkonsul der Tschechischen Republik in München, Dr. Vlastimil Kročil, Bischof von Budweis/České Budějovice, der Würzburger Weihbischof Ulrich Boom, Pater Damian Weber, Generalsuperior der Missionare von Mariannhill, sowie der Bundestagsabgeordnete Paul Lehrieder teil. Zudem waren Angehörige von Pater Engelmar Unzeitig, zahlreiche Mitglieder der Ackermann-Gemeinde und Gäste aus der Tschechischen Republik zu diesem festlichen Anlass zusammengekommen.

„Es geht darum, Leuchttürme und Orientierungspersonen in der heutigen Zeit zu finden“, betonte Oberbürgermeister Schuchardt. Unzeitig, der im Konzentrationslager Dachau Kranken und Bedürftigen half, sei so ein Leuchtturm, da er unter extremen Bedingungen seinen Überzeugungen treu geblieben sei. „Deshalb ist seine Seligsprechung für ganz Würzburg ein bedeutendes Ereignis, von dem ein positiver Impuls für das menschliche Miteinander ausgehen kann“, sagte der Würzburger Oberbürgermeister im Vorfeld der Zeremonie im Dom.

An das weltliche, aber auch das geistige Erbe des Paters erinnerte der tschechische Kulturminister Herman, der zugleich Vorsitzender der Sdružení Ackermann-Gemeinde ist. Vor rund einem Vierteljahrhundert habe er den Nachlass des Priesters, der ab 1940 in Glöckelberg, dem heutigen Zvonková in der Tschechischen Republik, als Seelsorger arbeitete, in den Händen gehalten. Den Ort Glöckelberg im Böhmerwald gibt es zwar heute nicht mehr, aber die Kirche, in der Unzeitig predigte, hat überdauert. Sie dient heute auch zu Gottesdiensten von Deutschen und Tschechen im Gedenken an Engelmar Unzeitig. „Die Prinzipien Pater Engelmars dauern heute noch an“, betonte der Minister. Außerdem hob Herman die Wichtigkeit der Erinnerung an die Menschen hervor, die sich in der Zeit des Nationalsozialismus zu ihrem Glauben bekannt haben und so Verfolgung ausgesetzt waren. Dabei ging er auf die sudetendeutschen Glaubenzeugen ein: „Sie gehörten zu unserem Land, das über Jahrhunderte von Tschechen, Deutschen und Juden gemeinsam geprägt wurde. So ist es Verpflichtung für uns, auch ihr Schicksal zu würdigen.“

Für die Ausstellungsmacher führte Matthias Dörr, Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde, die Gäste im Ratssaal in die Ausstellung ein. Sie sei als ein deutsch-tschechisches Gemeinschaftsprojekt entstanden. Dies zeige sich nicht nur in der Zusammensetzung des Teams, sondern auch an den Förderern. Neben der Tschechischen Bischofskonferenz und dem Erzbistum Prag hat auch die Deutsche Bischofskonferenz durch einen finanziellen Beitrag die Erstellung ermöglicht. Dörr dankte allen, die ihren Sachverstand in die Erstellung der Ausstellung eingebracht haben, wie den Historikern Dr. Otfrid Pustejovsky, Dr. Michal Pehr, Dr. Jan Střibrný und Dr. Raimund Paleczek. Dankbar sei er auch für die gute Zusammenarbeit mit der Würzburger Ackermann-Gemeinde unter ihrem Vorsitzenden Hans-Peter Dörr im Zusammenhang mit der Ausstellungspräsentation und der Seligsprechung in Würzburg. Im Anschluss an die Reden trug sich Kulturminister Herman in das Goldene Buch der Stadt ein und Matthias Dörr führte die Ehrengäste durch die Ausstellung.

Unzeitig (1911-1945) wurde in Würzburg zum Priester geweiht. Am 21. April 1941 wurde er wegen „tückischer Äußerungen und Verteidigung der Juden“ in Glöckelberg im heutigen Tschechien von der Gestapo verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau überstellt. Unzeitig hatte in seinen Predigten gegen die Judenverfolgung durch die Nazis protestiert. Im Konzentrationslager pflegte er freiwillig Typhuskranke und starb dort 1945 selbst an dieser Krankheit. Die Ausstellung stellt neben Unzeitig noch neun weitere sudetendeutsche Glaubenszeugen vor. Neben fünf Priestern sind dies zwei Ordenfrauen und drei Laien. Die Lebensbilder, mit Texten und Fotografien auf Stelen dargestellt, bilden den Mittelpunkt der Ausstellung. Zwei große Stelen führen in die Ausstellung ein und stellen den historischen Kontext und die Erinnerung an den sudetendeutschen Widerstand vor. Den Abschluss bildet ein Pult mit einem Gedenkbuch. In diesem sind die Namen aller bisher bekannten sudetendeutschen Christen aufgeführt, die sich gegen das NS-System stellten, aktiv oder passiv Widerstand gegen den Nationalsozialismus leisteten und verfolgt wurden. Die Ausstellung gibt es in einer deutschen und einer tschechischen Sprachversion. Nach der ersten Präsentation der deutschen Variante in Würzburg folgen weitere Stationen in Deutschland und Österreich. Die tschechische Version wird erstmals Ende Februar 2017 in Prag im Rahmen einer Konferenz präsentiert.

pow/ag

 

Die Schirmherrschaft über die Ausstellung „Zeugen für Menschlichkeit. Christlicher sudetendeutscher Widerstand 1938-1945“ hat neben dem Prager Kardinal Dominik Duka der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka übernommen. Er knüpft damit an die Würdigung sudetendeutscher Gegner des NS-Systems durch seine Amtsvorgänger Jiří Paroubek im Jahr 2005 und Petr Nečas im Jahr 2013 an. Ministerpräsident Sobotka schreibt zu der Ausstellung:

„Wenn wir uns mit der tragischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges beschäftigen, sollten wir nicht nur Tschechen und Deutsche sehen, sondern vor allem Schicksale von konkreten Menschen. Erst dann, glaube ich, begreifen wir das schreckliche Ausmaß des menschlichen Unglücks, das die nazistische Diktatur verursacht hat, den Mut derer, die sich entschlossen haben, sich ihr zu stellen, und die Opfer, die sie bringen mussten. Dann müssen wir die Prinzipienfestigkeit der Leute, die sich entschieden haben, der Wahrheit und Menschlichkeit treu zu bleiben, bewundern. Dann sehen wir, wie bequem es wäre, die Augen vor den Verbrechen zu verschließen. Man kann die Gedanken an die Frage nicht loswerden, wie man in einer solchen Situation selber handeln würde. Helden, die es geschafft haben, Ihre Stimme gegen Unrecht zu erheben, finden wir unter Tschechen wie unter Deutschen. Die Regierung der Tschechischen Republik hat schon in der Vergangenheit die ehemaligen tschechoslowakischen Staatsbürger der deutschen Nationalität gewürdigt, die sich gegen den Nazismus gestellt haben, und es ist gut, dass die Ausstellung „Christlicher sudetendeutscher Widerstand 1938-1945“ das Bewusstsein über eine solche Gruppe erweitern wird.“

Daniel Herman, Minister der Tschechischen Republik für Kultur, trägt sich in das Goldene Buch der Stadt Würzburg ein. Von links: Pater Damian Weber, Generalsuperior der Missionare von Mariannhill, Weihbischof Ulrich Boom, Bürgermeister Dr. Adolf Bauer, Vlastimil Kročil, Bischof von Budweis/České Budějovice, Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Bundestagsabgeordneter Paul Lehrieder, Dr. Milan Čoupek, Generalkonsul der Tschechischen Republik in München, Matthias Dörr, Bundesgeschäftsführer der Ackermann-Gemeinde, Bürgermeister David Šimek von Zwittau/Svitavy und Hans-Peter Dörr, Diözesanvorsitzender der Ackermann-Gemeinde Würzburg.