Zum 90. Geburtstag von Dr. Otfrid Pustejovsky
Der 1934 in Ostrau/Ostrava geborene Otfrid Pustejovsky feierte am 22. März 2024 seinen 90. Geburtstag. Weithin geachtet ist er vor allem durch seine wissenschaftliche Expertise, durch seine Forschungen und Übersetzungen und durch seine unermüdliche Vortragstätigkeit zur Geschichte der böhmischen Länder. Darüber hinaus ist Dr. Pustejovsky auch als Herausgeber zahlreicher Publikationen bekannt.
Otfrid Pustejovsky kam nach der Vertreibung im September 1946 nach Oberbayern. In den Jahren 1954 bis 1960 studierte er Geschichte, Germanistik, Katholische Theologie und Politologie in München und Wien. 1959/60 machte er sein Staatsexamen und wurde Hilfsassistent bei Professor Stadtmüller am Lehrstuhl für die Geschichte Ost- und Südosteuropas an der LMU München und wissenschaftlicher Assistent für tschechoslowakische Zeitgeschichte im Sudetendeutschen Archiv in München. Es folgte 1965 bis 1967 ein Zweitstudium der Osteuropäischen Geschichte, Slavistik und Bayerische mittelalterliche Geschichte mit Promotion und dem 2. Staatsexamen.
Seit 1960 publiziert er zur böhmischen Geschichte und zur Geschichte der Tschechoslowakei. Beruflich war er zunächst im Schuldienst, unter anderem an der Deutschen Schule in Beirut, bevor er von 1979 bis 1984 Referent für kulturelle Angelegenheiten der Vertriebenen und nichtdeutschen Flüchtlinge im Bayerischen Sozialministerium wurde. Von 1984 bis 1990 war er Stiftungs- und Seminardirektor der Wittelsbacher Stiftung Albertinum, bevor er 1990 bis zu seiner Pensionierung 1996 an der Zeugnisanerkennungsstelle für den Freistaat Bayern an verantwortlicher Stelle arbeitete.
Aus seinen wissenschaftlichen Werken sollen hier nur zwei besonders hervorgehoben werden. Im Jahr 2009 erschien sein Buch: „Christlicher Widerstand gegen die NS-Herrschaft in den Böhmischen Ländern. Eine Bestandsaufnahme zu den Verhältnissen im Sudetenland und dem Protektorat Böhmen und Mähren“ und das Buch „Stalins Bombe und die 'Hölle von Joachimsthal'. Uranbergbau und Zwangsarbeit in der Tschechoslowakei nach 1945“.
Sein aktuelles Buch Verdrängen-Vergessen-Erinnern, Deutschland und Europa im 20. und 21. Jahrhundert - Sichtungen und Essays aus der Reihe: Vertriebene-Integration–Verständigung, erscheint noch in diesem Jahr im LITVerlag und hat 653 Seiten. Dazu schreibt er selbst: "Zwei verschiedene Wege leiteten mich zum „Erinnerungs“-Thema: zunächst die breite Straße des Geschichtsstudiums und dann der schmale Pfad der persönlichen Erinnerungen. Nach den heftigen Auseinandersetzungen um die deutsche Vergangenheitsbewältigung verstärkte sich in mir das zunächst unbestimmte Gefühlsbemerken großer Wahrnehmungslücken in der Gesellschaft, aber auch im persönlichen Bereich. Dies alles war für mich nach vielen Jahren anderweitiger historischer Arbeiten der Anlass, mich ab dem Jahr 2005 mit der Thematik umfassend zu beschäftigen, fachübergreifend zu forschen und dann allmählich manche bisherigen Grenzen geschichtswissenschaftlichen Arbeitens zu überschreiten." Wir freuen uns auf die Lektüre!
Dr. Pustejovsky ist seit über sieben Jahrzehnten ein aktives Mitglied und zuverlässiger Unterstützer der Ackermann-Gemeinde. Wir möchten hier besonders sein jahrzehntelanges Engagement in unserer Gemeinschaft hervorheben. Von 1980 bis 2004 war er ehrenamtlicher Vorsitzender der Ackermann-Gemeinde in der Erzdiözese München und Freising und über viele Jahre 2. Vorsitzender des Institutum Bohemicum, dem Kultur- und Bildungswerk der Ackermann-Gemeinde. Für seine Mitwirkung und für seine Impulse in der Redaktion unserer Zeitschrift Der Ackermann sind wir besonders dankbar.
Bis heute ist er in Deutschland und Tschechien ein gefragter Referent zu historischen Themen. Hervorzuheben sind auch die von ihm organisierten Studienfahrten nach Mittelost-, Südost- und Osteuropa, wo er als Reiseleiter seine Kontakte und sein breites historisches Wissen vermitteln konnte. Auch als Übersetzer war er aktiv. Das Buch des tschechischen Priesters und Soziologen Professor Tomáš Halík (Nachtgedanken eines Beichtvaters, Freiburg 2012) wurde von Dr. Pustejovsky ins Deutsche übertragen.
2011 wurde Dr. Pustejovsky in Aussig/Ústí nad Labem mit dem Kunstpreis der deutsch-tschechischen Verständigung geehrt, welcher gemeinsam vom Adalbert-Stifter-Verein (München), der Brücke-Most-Stiftung (Dresden), dem Collegium Bohemicum (Aussig/Ústí nad Labem), dem Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren, dem Internationalen Kulturverein PRO ARTE VIVENDI (Berlin) und der Union für gute Nachbarschaft tschechisch- und deutschsprachiger Länder (Prag) verliehen wird. Dies zeigt die breite Anerkennung, die Dr. Pustejovsky in Kreisen der deutsch-tschechischen Nachbarschaft genießt.
Dr. Pustejovsky verfolgt weiterhin mit großem Interesse die Publikationen tschechischer Historikerinnen und Historiker zur Geschichte ihres Landes, einschließlich der Vertreibung der Deutschen. Er beklagt, dass diese Forschungen in Deutschland und bei den Sudetendeutschen viel zu wenig bekannt sind. Mit großer Genugtuung hat er zudem an der Enthüllung einer Gedenktafel in seiner Geburtsstadt Ostrau teilgenommen, auf der an die Schrecken im Hanke-Lager, einem Internierungslager für Deutsche vor der Vertreibung, erinnert wird.
Schon zu seinem 85. Geburtstag wurde festgestellt: "Dr. Otfrid Pustejovsky ist ein Historiker aus Berufung, der stets Lücken in der Geschichtsschreibung zu den böhmischen Ländern aufzeigt und durch akribische Forschungen dazu beiträgt, diese zu schließen. Auch zu seinem 90. ist er weiter voller Tatendrang."
Die Ackermann-Gemeinde dankt für seinen unermüdlichen Einsatz und gratuliert von ganzem Herzen! Ad multos annos!
Ackermann-Gemeinde