Zwei spannende Agentinnen-Geschichten
Kultur-Zoom der Ackermann-Gemeinde griff dieses Thema auf
Trotz Faschingsdienstag und Kehraus waren zum monatlichen Zoom der Ackermann-Gemeinde 33 PCs mit weit mehr Interessierten zugeschaltet. Das Thema war diesmal mit Spannung verbunden. „Vorsicht! Agentinnen schreiben mit“ lautete es. Die Starnberger Ausstellungs- und Filmemacherin, Grafikerin und Autorin Petra Dombrowski stellte die gleichnamige Ausstellung und die darin vorkommenden Hauptprotagonistinnen vor. Bis zum 18. März ist die Ausstellung im Haus des Deutschen Ostens in München noch zu sehen.
Seit etwa sechs, sieben Jahren ist Dombrowski als Ausstellungs- und Filmemacherin tätig. Ihr Motto lautet „Geschichte lebendig machen“, was sie durch die Einbeziehung von Ton, Bild/Grafik und Video umsetzt. Weit länger beschäftigt sie sich mit ihrer Familiengeschichte, wie sie im Gespräch mit Moderatorin Sandra Uhlich erläuterte. Über den familiären Bezug, konkret über einen Großonkel mütterlicherseits, der beim tschechoslowakischen Nachrichtendienst tätig war, stieß sie bei weiteren Recherchen auf die Agentinnen Elisabeth S. und Eugenie M. Diese spionierten im Auftrag des Nachrichtendienstes die Werft der Sachsenberg AG in Roßlau an der Elbe aus. Die Familiengeschichte Dombrowskis reicht übrigens, wie sie stolz erklärte, bis ins 12. Jahrhundert im Raum der Stadt Tabor zurück.
„Geschichten aus dem Osten sind es wert und spannend. Es sind tolle Geschichten für ein breiteres Publikum“, begründete sie ihre Beschäftigung und Recherchen genau zu diesem Thema. Auch das Auffinden von „tollem Aktenmaterial“ in deutschen und tschechischen Archiven und die Unterstützung durch viele Personen bekräftigten ihren Entschluss, diese Thematik, d.h. „zwei sehr spannende Lebensgeschichten“ zu erforschen.
Im schlesischen Ratibor wurde Elisabeth S. im Jahr 1902 geboren, entschied sich aber sehr früh für ihre tschechische Identität. Schon in der Jugend legte sie Wert auf ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild und auf eine gute Ausbildung als Sekretärin. Diese Tätigkeit übte sie in einer Rechtsanwaltskanzlei aus. Für ihr Aussehen bevorzugte sie ein bestimmtes Friseurgeschäft, wo sie sich in den Friseur verliebte und sich mit ihm verlobte. Beide wurden von einem Offizier des tschechoslowakischen Nachrichtendienstes angesprochen und für diese Tätigkeit ab 1938 gewonnen. Zum Beispiel gab Elisabeth S. geheime Unterlagen aus dem Bereich der Flugabwehr, die in der Rechtsanwaltskanzlei auftauchten, an den Nachrichtendienst weiter.
Im österreichischen Seebach wurde Eugenie M. Geboren, deren Mutter aus Slowenien stammte und der Vater Schlesier war. Ein tragisches und traumatisches Erlebnis für Eugenie M. war der Suizid ihrer Mutter. Eugenie M. wuchs in Brünn auf und bekannte sich im Jahr 1930 zur tschechischen Nationalität. Im Jahr 1934 gewann Petra Dombrowskis Großonkel Eugenie M. zur Mitarbeit im tschechoslowakischen Nachrichtendienst. Sie siedelte nach Oderberg um, wo sie als Krankenpflegerin arbeitete. Daneben wirkte sie in Annaberg als Agentin. Diese Region eignete sich gut für die Spionagetätigkeit.
Neben dem Aspekt der Agententätigkeit zeigte Dombrowski auf den Wandel von den 1920er zu den 1930er Jahren auf: Mode (Hüte, Kleider) und neue Berufe für Frauen (Sekretärin, Telefonistin usw.) aufgrund neuer technischer Entwicklungen. Besonders ab 1938, als im nationalsozialistischen Deutschland die militärische Aufrüstung zunahm, gewann im Nachbarland die Aufklärung – auch durch Spionage – an Bedeutung.
Gefragt nach der Bedeutung dieser beiden Frauen sprach die Referentin eher von „kleineren Rädchen“, ihre Tätigkeit sei mit „Kurierinnen“ zu umschreiben. „Frauen waren eher eine Randerscheinung“, ergänzte sie. Elisabeth S. habe die Agententätigkeit eher aus monetären, Eugenie M. vor allem aus patriotischen Gründen geleistet. Mit der Errichtung des Protektorats Böhmen-Mähren im März 1939 sei die Agententätigkeit gefährlicher geworden.
Ergänzend zur Ausstellung wies sie auf ein in Kürze erscheinendes Brettspiel zu diesem Thema hin, mit dem man bei 30 bis 40 Minuten Spielzeit in die Welt und Lebensgeschichte dieser zwei Agentinnen eintauchen und nebenher auch Fakten zur Geschichte Tschechiens erfahren kann. Die nächste Station der Wanderausstellung ist Znaim. Freuen würde sich Dombrowski über die Präsentation der Ausstellung in Brünn, zumal hier auch örtliche Bezüge vorhanden wären.
In einer Zeit, in der die Möglichkeiten von Frauen in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens eingeschränkt waren, agierten die beiden Agentinnen im Verborgenen. Ihre Geschichten sind geprägt von Mut, Intelligenz und Geschick im Umgang mit den Herausforderungen ihrer Zeit.
Markus Bauer


