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Auch in Zukunft Flamme für enges deutsch-tschechisches Miteinander

Impulsseminar der Ackermann-Gemeinde beleuchtet Perspektiven der Verbandsarbeit

„Tschechen und Deutsche in bester Normalität“ lautete vom vergangenen Freitagabend bis Samstagmittag der Titel des Impulsseminars im Caritas-Pirckheimer-Haus in Nürnberg, bei dem sich die Multiplikatoren der Ackermann-Gemeinde auf Bundesebene über die Gegenwart und Zukunft für ein „engeres deutsch-tschechisches Miteinander“ (so der Untertitel) Gedanken machten. Anstöße gab es von Vertretern aus Politik, Kirche und Kultur. Und in Arbeitsgruppen wurden Zukunftsvisionen und -missionen rege diskutiert.

"Heiliger Geist belästige uns!"

In Anlehnung an Aussagen von Papst Franziskus verwies in seinem Geistlichen Wort zur Einführung Propst Msgr. Anton Otte auf das Wirken des Heiligen Geistes. „Wir dürfen uns ihm nicht widersetzen, er macht den Menschen frei. Daher soll er uns immer wieder belästigen“, verdeutlichte der Geistliche. „Wir wollen gemeinsam über unsere Themen sprechen, das gab es schon lange Zeit nicht mehr“, stellte MdEP Martin Kastler, der Bundesvorsitzende der Ackermann-Gemeinde, in seiner Begrüßung fest. „Deutsche und Tschechen haben eine wichtige Rolle in Europa“, konkretisierte er und verwies auf die jüngsten Treffen des bayerischen und tschechischen Ministerpräsidenten, womit in diesem Bereich „die Sprachlosigkeit überwunden“ worden sei. Die Ackermann-Gemeinde sei in die Vorbereitungen dieser Begegnungen eingebunden gewesen. Im Blick nach vorne nannte Kastler den Katholikentag 2014 in Regensburg, wo angesichts des Zentralthemas „Mit Christus Brücken bauen“ die Ackermann-Gemeinde wie auch das Thema Nachbarschaft gut vertreten sein werden. „Als Deutsche und Tschechen müssen wir gemeinsam dafür sorgen, Europa mit Leben zu füllen und im Dialog miteinander umzugehen – Europa zu bauen im Wissen um die Vergangenheit, aber nicht auf den alten Klischees“, fasste der Bundesvorsitzende zusammen.

„Es ist eine Ehre, Sie zu Freunden zu haben“

Die Gegenwart und Zukunft beleuchtete unter dem Titel „Tschechen und Deutsche in bester Normalität? Bleibende Aufgaben zur Gestaltung der Nachbarschaft“ der Botschafter der Tschechischen Republik in Deutschland Dr. Rudolf Jindrák. Auch er verwies auf die bisherigen Treffen der Ministerpräsidenten und sprach von „einem Schritt in die Normalität zwischen Tschechien und Bayern“. Für die Zukunft sind jährliche Treffen sowie Projekte und Arbeitsgruppen in verschiedenen Feldern angedacht. Als besondere Gesten würdigte Jindrák die Kranzniederlegungen für tschechische und sudetendeutsche Opfer (auch Priester) des Nationalsozialismus sowie die Rede von Premierminister Nečas im Landtag. „Die tschechische Republik bekennt sich zum Unrecht gegenüber diesen Menschen“, wiederholte der Botschafter mit seinen Worten Nečas Aussage. „Die Ackermann-Gemeinde ist einer der wichtigsten Träger des aktiven und zukunftsorientierten Versöhnungsgedankens“, lobte Jindrák. Deshalb hat neben der Bayerischen Staatskanzlei erstmals das Außenministerium der Tschechischen Republik mit diesem Impulsseminar eine Veranstaltung einer sudetendeutschen Organisation gefördert. „Ich habe immer gerne mit den Freunden der Ackermann-Gemeinde zusammengearbeitet, Schritt für Schritt haben wir Barrieren beseitigt. Diese Zusammenarbeit war immer ein Stern am Himmel. Es ist eine Ehre, Sie zu Freunden zu haben. Ohne Ihr Engagement und Ihre Aktivitäten wäre auch in Prag nicht so viel möglich“, fasste der Diplomat zusammen. Angesichts vielfältiger Kontakte zwischen Bayern und Tschechien sieht er eine positive Zukunft für das Miteinander, wobei das jetzige gute Niveau der Beziehungen aufrechterhalten werden soll.

Arbeit auf christlicher Basis

Kirchliche Inhalte brachten unter dem Titel „Versöhnung - Solidarität - Neuevangelisierung. Christliches Engagement von Deutschen und Tschechen im zusammenwachsenden Europa“ der Generalsekretär der Tschechischen Bischofskonferenz Msgr. Dr. Tomáš Holub und der Leiter des katholischen Büros in Bayern Domdekan Prälat Dr. Lorenz Wolf ein. Holub rief die Begegnung der tschechischen und bayerischen Bischöfe in Waldsassen in Erinnerung (auch eine Vertiefung der Kontakte zwischen den Kardinälen Duka und Marx bzw. der Bischöfe Radkovský und Voderholzer) und verwies auf den Katholikentag 2014. „Die Frage der Restitution ist eine riesige Aufgabe für die tschechische Kirche“, nannte er eine weitere Herausforderung. Als Basis sieht der Generalsekretär die Bescheidenheit und das Sprechen über den Glauben des jeweils anderen, zumal „die Situation auf beiden Seiten ähnlich“ werde: „Glaube als ein persönlicher Aspekt nicht aus der Kultur, sondern aus persönlicher Entscheidung!“ Vor dem Hintergrund seiner langjährigen Kontakte mit sudetendeutschen Aspekten sieht Prälat Wolf eine wichtige Aufgabe der Kirche, diese Themen „durch ein anderes Herangehen, d.h. auf christlicher Basis“, zu bearbeiten. „Wir brauchen Begegnung und Dialog, dass der andere - als Ebenbild Gottes - genauso viel wert ist. Und wir brauchen Austausch, gegenseitige Unterstützung und Gemeinschaft“, fasste der Domdekan zusammen.

Identitäten nicht mehr national definiert

Den Aspekt „Identität“ brachte unter dem Thema „Die Wiederentdeckung des Böhmischen? Ein Beitrag zum Erhalt und zur Schaffung einer zeitgemäßen grenzüberschreitenden Identität“ Dr. Peter Becher, Geschäftsführer des Adalbert-Stifter-Vereins, in die Diskussion ein. „Vorstellungen von Identität sind Konstruktionen, die in verschiedenen Zeitepochen entstanden sind und überwunden werden können.“, stellte er fest. Er verwies auf die aktuelle Besetzung der deutsch-tschechischen Historikerkonferenz sowie auf Autorentreffen, wo nicht mehr nationale Fakten im Vordergrund stehen, „sondern Interessen, die sie mit den anderen teilen. Identitäten werden nicht mehr national definiert, sondern es gibt eine Vielfalt von Identifikationsmöglichkeiten und auch neue Loyalitäten, die stärker als nationale sind. Eine gemeinsame Identität, die neu und grenzüberschreitend 'böhmische Identität' bezeichnet werden könnte, sehe ich so nicht. Identität ist immer noch von einem 'Wir' und 'Ihr' abhängig“, konkretisierte der Referent. Er sprach aber auch von selbstkritischen Auseinandersetzungen, die Prozesse der Reinigung und Stärkung bewirken. Becher empfahl, die böhmische Nachbarschaftsgeschichte aus nationalen Mustern zu lösen, nicht als Konfliktgeschichte darzustellen, sondern wechselnde Loyalitäten und Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu rücken. 

Intensive Diskussionen in Kleingruppen

In drei Kleingruppen, moderiert und geleitet vom Bundesvorsitzenden Martin Kastler, von Bundesgeschäftsführer Matthias Dörr sowie vom Mitglied des Bundesvorstandsmitglieds Rainer Karlitschek, beschäftigten sich die Seminarteilnehmer mit der Vision und Mission der Ackermann-Gemeinde für die kommenden Jahre. Grundsätzlich geht es dabei um eine Weiterentwicklung der Verbandsarbeit, auch um Weichenstellungen für die Zukunft. Diese Aspekte wurden in jüngster Vergangenheit an der Basis und bei einer Tagung im Kloster Banz diskutiert. Vor dem Hintergrund einer Normalität im deutsch-tschechischen Verhältnis und einer Partnerschaft auf Augenhöhe sowie des Generationswechsels ist nun eine Konkretisierung des Leitziels der Ackermann-Gemeinde nötig. In den Arbeitskreisen waren sich die Teilnehmer einig, dass sich die Ackermann-Gemeinde auch künftig als „Spezialist in der deutsch-tschechisch-slowakischen Nachbarschaft“ einbringen soll mit einer starken Verankerung in der katholischen Kirche - bei ökumenischer Offenheit. Die Aufgaben sollten grundsätzlich über eine vielfältige Vernetzung erledigt werden, konkret stehen Funktionen als Bildungsträger, Anwalt für die Kirche in Tschechien und der Slowakei, Begleitung externer Schul- oder Pfarrpartnerschaften, Kultur, Migrantenfrage sowie aktives Werben von Mitgliedern und Mitarbeitern auf der Agenda. „Auch wenn wir weniger sind, wollen wir Flamme sein“, brachte Bundesvorsitzender Kastler die Zukunftsherausforderungen auf den Punkt.

Markus Bauer

 

Dieses Seminar wurde gefördert aus Mitteln des Außenministeriums der Tschechischen Republik und durch die Bayerischen Staatskanzlei.