Ostergruß von Weihbischof Dr. Hauke
Verklärte Wunden
„Der Leib ist klar, klar wie Kristall,
Rubinen gleich die Wunden all,
Halleluja!“
In einem Osterlied werden diese Worte gesungen. Von Kindertagen an haben sie meine Phantasie beflügelt. Ein Leib - wie Kristall so klar! Wunden, die wie Rubine leuchten! Ein Kind, das wie ich niemals schweres Leid empfinden musste, kann sich wohl solche Bilder leicht vorstellen. Wer in Kindertagen aber Leid zugefügt bekam und wem Wunden geschlagen wurden, der wird sich fragen: Wunden, die kostbar geworden sind wie Rubine? Kann es das geben?
Ostern löst daher ganz verschiedene Reaktionen aus. Nicht jeder wird dem Gedanken mit frohem Herzen zustimmen: „Das Leid ist verklärt!“ Gerade an den Feiertagen brechen alte Wunden auf, wenn sich Menschen an Heimat, liebe Freunde und Verwandte erinnern, die nicht mehr bei uns sind.
Eine Hoffnung habe ich jedoch, dass der Glaube an Jesus Christus, den Auferstandenen, der jetzt beim Vater im Himmel ist, Brücken bauen kann zu denjenigen, die wir vermissen und ein Ersatz sein kann für das, was wir verloren haben. Und diese Hoffnung erstreckt sich auch auf die Zukunft, die wir noch vor uns haben: Wir finden DEN in unserer Zukunft, DER auch jetzt schon bei uns ist, wenn wir mit dem Leid der Fremde, des Alters und der Einsamkeit zu kämpfen haben. Uns ist versprochen, dass wir Christus einmal ähnlich sein werden, das bedeutet: Wir werden auch mit dem kristallklaren Leib beschenkt, an dem verklärte Wunden erkennbar sind, die uns im Laufe des Lebens geschlagen wurden und die wir zu Christus getragen haben – in aller Traurigkeit, Demut und Liebe.
An diesem Osterfest 2010 darf ich wieder miterleben, wie vier erwachsene Frauen durch die Taufe, Firmung und Erstkommunion in die katholische Kirche aufgenommen werden. Sie haben einen Weg der Vorbereitung hinter sich, der manchmal damit begonnen hat, dass sie nach Erlösung suchten – nach Lösung ihrer Fragen und Probleme, nach Heilung ihrer Wunden. Was soll nun die Veränderung bewirken? Es ist nichts äußerlich Spektakuläres, aber doch im Verborgenen sehr Kostbares: Der Leib wird mit Taufwasser an der Stirn berührt und wird dadurch zu einem neuen Leib der Christusverbundenheit. Er wird gesalbt mit dem Heiligen Chrisam und mit der Heiligen Eucharistie genährt. Es geschieht für mich dadurch schon Verklärung. Die Wunden werden geheilt. Sie können nun neu gedeutet werden als Zeichen der Ähnlichkeit mit Jesus Christus. Sie beginnen damit – im Bild der Liedstrophe gesprochen - zu leuchten.
Ich wünsche allen, die das Osterfest mitfeiern, die Freude an der Verklärung von Leid und Not durch Christus, den Auferstandenen, dem kein Kummer zu hoffnungslos und kein Kreuz zu schwer ist, als dass er nicht dort Erlösung schenken könnte.
+ Weihbischof Dr. Reinhard Hauke
Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für die Vertriebenen- und Aussiedlerseelsorge