Politische Themen zu den deutsch-tschechischen Beziehungen
beschlossen vom Bundesvorstand der Ackermann-Gemeinde am 22. Januar 1999 in Nürnberg.
1. Beitritt der Tschechischen Republik zur Europäischen Union
Die Ost-Erweiterung der Europäischen Union betrachten wir als vorrangiges außenpolitisches Ziel. Deshalb treten wir unverändert für die Aufnahme der Tschechischen Republik - zu gegebener Zeit auch der Slowakischen Republik - in die Europäische Union ein. Ein zügiger Abschluß der Beitrittsverhandlungen liegt im deutschen wie im gesamteuropäischen Interesse. Für die Anerkennung der europäischen Rechtsprinzipien und die Anpassung der tschechischen Rechtsordnung sorgen die Organe der Europäischen Union. Die Aufnahme Tschechiens wird auch zu einer Entspannung in den sudetendeutsch-tschechischen Auseinandersetzungen beitragen. Es werden sich weitere Chancen für menschliche und kulturelle Kontakte Vertriebener mit ihrer alten Heimat ergeben.
2. Begleitende Schritte
Die Aufnahme der Tschechischen Republik in die Europäische Union wird sich umso positiver auswirken, je mehr sie auch von den aus diesem Land Vertriebenen migetragen wird. Deshalb muß weiterhin versucht werden, die alten Traumata zu heilen. Zwar ist die Vertreibung der Sudetendeutschen ein geschichtliches Faktum, das sich nicht mehr rückgängig machen läßt. Doch halten wir unter Berücksichtigung aller seit der Vertreibung eingetretenen Entwicklungen folgende Schritte für notwendig:
2.1 Verurteilung der Vertreibung als solcher
Vertreibung von Menschen verletzt deren Menschenwürde. Die Bundesrepublik Deutschland und die Tschechische Republik bekennen sich in ihren geltenden Verfassungen ausdrücklich zum Schutz der Menschenwürde. Deshalb darf einer Verurteilung der Vertreibung als solcher nicht länger ausgewichen werden. Sinn einer solchen Verurteilung ist eine das Gerechtigkeitsempfinden zufriedenstellende Bewertung der Vergangenheit und die Festigung einer Wertegemeinschaft für die Zukunft. Eine eindeutige Erklärung von tschechischer Seite, daß die in Ziffer III der Deutsch-Tschechischen Erklärung vom 21. Januar 1997 gewählten Formulierungen in diesem Sinne zu interpretieren sind, ist dringend erforderlich.
2.2. Recht auf die Heimat
Recht auf die Heimat als Ausfluß des Selbstbestimmungsrechts bedeutet Vertreibungsverbot. Zur Wiedergutmachung der nach dem Zweiten Weltkrieg durchgeführten Vertreibung treten wir für folgenden Lösungsweg ein: Die völkerrechtlich verbindlich festgelegte Staatsgrenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik bleibt unantastbar. Wer als Sudetendeutscher vertrieben wurde, soll sich in der Tschechischen Republik niederlassen dürfen, wenn er seinen persönlichen Lebensmittelpunkt tatsächlich dorthin verlegen möchte, macht er von dieser Möglichkeit Gebrauch, sollen auch Ehegatten und Nachkommen zur Niederlassung in der Tschechischen Republik berechtigt sein. Solchen Rückkehrwilligen soll angeboten werden, die tschechische Staatsangehörigkeit zu erwerben.Wahlweise sollen sie die Möglichkeit erhalten, sich im Vollzug der Ziffer VI der Deutsch-Tschechischen Erklärung mit einem dauerhaft gesicherten Ausländerstatus - vor allem in Form eines vorgezogenen EU-Niederlassungsrechts - zu begnügen. In Deutschland soll eine Beratungsstelle geschaffen werden, die Rückkehrwillige über Leben und Rechtsstellung im tschechischen Umfeld und über Rückwirkungen auf Rechte und Pflichten in der Bundesrepublik Deutschland aufklärt.
2.3 Distanzierung von Benes-Dekreten: Beendigung rechtlicher Diskriminierung
Die Kritik an den tschechischen Rechtsvorschriften zu Lasten der Sudetendeutschen (Gesetz Nr. 115/1946 und gegen Sudetendeutsche gerichtete Benes-Dekrete) richtet sich im Kern gegen die Diskriminierung dieser Menschen wegen ihrer Volkszugehörigkeit. Diese Diskriminierung muß beendet werden. Damit wird aber keine "Rückabwicklung der Geschichte" gefordert. Entscheidend ist, daß sich die Betroffenen in ihrem verletzten Rechtsempfinden ernst genommen fühlen können. Das aber ist notwendig, damit die Ziff. IV der Deutsch-Tschechischen Erklärung von den Betroffenen auch innerlich akzeptiert wird und so zur Befriedung beitragen kann. Es geht zum einen darum, daß die Leiden jener sudetendeutscher Opfer tschechoslowakischer Gewalt, die Leben , Gesundheit oder Freiheit eingebüßt haben, ebenso ernst genommen werden wie die Leiden der tschechischen Opfer deutscher Gewalt in der NS-Zeit. Die- sen sudetendeutschen Opfern gebührt nach denselben Grundsätzen Entschädigung. Zum anderen geht es darum, den diskriminierenden Charakter der mit der Vertreibung zusammenhängenden Enteignungen - in welcher Form auch immer - zu verurteilen, im übrigen aber die Vermögensfrage jetzt realistisch zu lösen. Beispielsweise kann das so geschehen, daß die Angehörigen der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik entschädigt und die Vermögensverluste der anderen Sudetendeutschen symbolisch abgegolten werden, etwa durch einen Sonderbeitrag an den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds, durch eine Kulturstiftung für die deutsche Minderheit o.ä.
3. Ziel
Unser politisches Leitbild bleibt es, an der deutsch-tschechischen Nachbarschaft auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes und der Achtung der Menschenwürde weiterzubauen.