Gesine Schwan: Warum ich die Hoffnung nicht aufgebe

Ins Offene gehen

Gesine Schwan gehört zum erweiterten Kreis der Ackermann-Gemeinde, könnte man sagen. Zuletzt konnte man sie als Referentin beim AG-Zoom sowie beim Brünner Symposium erleben (siehe Heft 2-2023, S. 3 und 16). Einer breiteren Öffentlichkeit wurde sie als Kandidatin für das Amt der Bundespräsidentin bekannt. Wer sie persönlich erlebt hat, wird bestätigen, dass diese Frau etwas zu sagen hat. Sie ist eine scharfe Analytikerin mit einer klaren Sprache, fair im Diskurs und hart, wenn es darum geht, die Demokratie zu verteidigen, markant im Auftreten und doch vollkommen unprätentiös. Eine große Humanistin.

Die Herkunft ihrer Mutter aus Oberschlesien weckte ihr Interesse für unsere polnischen Nachbarn und für die grausamen Verbrechen, die von deutscher Seite an diesen begangen worden sind. Neben Schwans katholischen Wurzeln ist die Versöhnungsarbeit zwischen Ost und West eine zentrale Verbindung zur Ackermann-Gemeinde.

Das Thema „Hoffnung“, das Gesine Schwan in den Mittelpunkt ihres Gesprächsbands mit dem Philosophen Holger Zaborowski gestellt hat, der zu ihrem 80. Geburtstag erschienen ist, ist denn auch ein zutiefst christliches. In dem Gespräch mahnt sie bei allen Krisen, die gegenwärtig zu bewältigen sind, vor der Neigung zur Verbreitung von Dystopien und Verschwörungstheorien und vor dem Schaden am Vertrauen in unsere Demokratie, der dadurch entsteht. Ursache und Folge gleichermaßen ist eine zunehmende Entpolitisierung unserer Gesellschaft. Dem stellt sie das Konzept der Freiheit und des Handelns jedes und jeder Einzelnen gegenüber. Damit ist Gesine Schwan bei ihren Kernthemen, die sie bis heute zu einer der wichtigsten Stimmen in der Politik macht: Freiheit, Menschenwürde und Bildung als Voraussetzung für ein gelingendes gesellschaftliches Miteinander.

Was für manchen vielleicht neu sein mag, ist der persönliche religiöse Hintergrund, aus dem heraus sie argumentiert: „Der Glaube macht es möglich, ins Offene zu gehen.“ So widmet der Gesprächsband ein ganzes Kapitel der Bedeutung von Kirche in einer Gesellschaft und den Fragen, die sich Kirche heute stellen muss. Nicht zuletzt deshalb lohnt sich ein Blick in das Buch als Motivation für all diejenigen, die – ganz im Geist der Verfasserin – selbst aktiv werden wollen, um Zukunft mitzugestalten.

Dr. Christian Geltinger

Gesine Schwan: Warum ich die Hoffnung nicht aufgebe. Ein Gespräch mit Holger Zaborowski, Patmos-Verlag Ostfildern 2023, 160 Seiten, ISBN 978-3-8436-1450-4, 22,00 €.