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Manfred Richter: Der unbekannte Comenius

Pädagoge, Bischof - und noch viel mehr. In diesem Buch widmet sich der Autor den eher unbekannten Aspekten im Wirken des Comenius.

Eine der größten Persönlichkeiten aus den böhmischen Ländern, die christliches Erbe buchstäblich in die Welt getragen haben, ist Johann Amos Comenius, tschechisch: Jan Amos Komenský. Er war Bischof der Brüderunität, die auch unter dem Namen „Böhmische Brüder“ bekannt ist. Comenius war der letzte Bischof dieser kleinen evangelischen Gemeinschaft, die trotz ihres heutigen großen Bekanntheitsgrades in der Geschichte immer eine kleine Minderheit war. Er musste mit dem Ende des 30-jährigen Krieges das Ende der Religionsfreiheit in den böhmischen Ländern erleben und hat auch darüber hinaus Lebenserfahrungen gemacht, die den Krisen unserer Zeit erstaunlich ähnlich sind: seine erste Frau und zwei gemeinsame Kinder starben an der damaligen Pandemie, der Pest; er erlebte einen scheußlichen, langen Krieg und war in Folge des Kriegsausgangs zum Flüchtling geworden.

Die vorherrschende, die bekannte Erinnerung an Comenius ist die an einen bedeutenden Pädagogen, dem bereits im 17. Jahrhundert klar war, dass Unterricht Spaß machen muss, um erfolgreich zu sein (schola ludus – Schule als Spiel), der in seiner Zeit den Lateinunterricht durch Bilder (orbis pictus – Welt in Bildern) reformierte, weil der Mensch nun einmal vor allem ein visuelles Wesen ist, sein wichtigstes Kommunikationsmedium, Sprache, aber akustisch ist. Und trotzdem sind diese Leistungen des Comenius nur ein kleiner Ausschnitt aus seiner großen geistigen Hinterlassenschaft und man tut ihm unrecht, wenn man sein geistliches Fundament und die Vielfalt der von ihm bearbeiteten Themen ignoriert.

Diesen unbekannten Seiten von Comenius hat Manfred Richter sein Buch gewidmet, der als evangelischer Pfarrer nicht im Verdacht steht, theologische Themen auszublenden. Das Buch ist eine Sammlung verschiedener Artikel und Vorträge, die Richter als Comenius-Forscher im Laufe der Jahre veröffentlicht bzw. gehalten hat. Das besondere Augenmerk Richters liegt auf der Ökumene und das Buch wird daher eingangs Persönlichkeiten anempfohlen, die als Vorsitzende des Päpstlichen Rats zur Förderung der Einheit der Christen bzw. Generalsekretäre des Ökumenischen Rats der Kirchen besondere Verantwortung für den interkonfessionellen Dialog tragen. Tatsächlich hat Comenius nicht wenig unternommen, um verschiedene christliche Traditionen zusammenzuführen. „Versöhnung“ ist dabei ein Schlüsselbegriff. Die Ideen von Comenius zur ökumenischen Aussöhnung, etwa die Schrift „De tollendis Christianorum in rebus Fidei dissidiis – Delibaration Catholica (Wie die Glaubensstreitigkeiten zu beheben sind – eine katholische Besinnung) sind eher allgemein prozessorientiert gehalten. Zu seiner Zeit konnte das wohl nicht anders sein, da man über spezifische Inhalte und dogmatische Unterschiede gerade erst 30 Jahre Krieg geführt hatte. Die Verankerung in einer ganz anderen Zeit führen dazu, dass diese Texte von Comenius sicherlich historisch hochinteressant sind, für heute aber nicht alle praktische Relevanz entwickeln können. Ob Manfred Richter das bewusst ist? Leider enthält das Buch unzählige orthographische Fehler, die ein gutes Lektorat hätte eliminieren können.

Es bleibt also fraglich, ob dieses Buch einen Beitrag zu ökumenischen Dialogen heute leisten kann. Was es aber tatsächlich sehr gut kann: Johann Amos Comenius als beeindruckende Persönlichkeit des 17. Jahrhunderts, seine Biographie und Gedankenwelt in verschiedener Perspektive und mit vielen Detailkenntnissen darzustellen. Aus diesem Grund kann das Buch auch allen empfohlen werden, die selbst Anknüpfungspunkte zu Comenius haben, etwa wenn Lebensgeschichte oder persönliches Interesse die Themen böhmisch-mährische Glaubensgeschichte, Flucht und Vertreibung, Ökumene oder Versöhnung berühren.

Oliver Engelhard