Peter Härtling: Djadi, Flüchtlingsjunge. Roman für Kinder. Beltz & Gelberg Verlag Weinheim 2016, 116 S., ISBN 978-3-407-82164-5, € 12,95.
Wenn aus Schmerz Trauer werden kann
Peter Härtling hat mit seinem letzten Werk „Djadi, Flüchtlingsjunge“ ein kleines, aber umso bemerkenswerteres Büchlein vor seinem bald darauf folgenden Tod hinterlassen: Im Untertitel wird es als „Roman für Kinder“ bezeichnet, doch das Thema erfasst und umfasst die ganze Zeit von 1945 bis 2015, reicht es doch von der syrischen Flüchtlingskatastrophe des Jahres 2015 zurück bis zu den schlesischen Flüchtlingstrecks im Winter 1944-45. Daher ist dieser „Roman“ auch eine Zeitgeschichte für Erwachsene.
Der kleine unbegleitete und wahrscheinlich verwaiste schmächtige Syrerjunge wird von einer deutschen WG aufgenommen, lernt Menschen, das neue Umfeld und die ihm zunächst so fremden Gepflogenheiten kennen und die deutsche Sprache dazu. Schnell wächst er auch schulisch in das fremde Land hinein, besonders betreut von dem alten asthmakranken Wladi, dem ehemaligen Lehrer. Fast holzschnitzartig werden in kurzen Kapiteln und größeren Zeitsprüngen Einschulung, deutsche Bürokratie, Fragen der Religionszugehörigkeit in kind- und frühjugendlicher Sprache und Bildwelt vorgestellt: Direkte Sprache wechselt mit knappen kindgemäßen Reflexionen ab – bis zum Tod des alten schlesischen Lehrers Wladi, auf dessen Grab Djadi, der inzwischen in einem deutschen Gymnasium vorwärts gekommen war, zwei mit schwarzem M und P besprühte Steine legte: „‚Grabsteine für Mama und Papa.‘ Jetzt wird vielleicht aus dem Schmerz Trauer.“ (S. 116).
Dr. Otfrid Pustejovsky