Tereza Boučková: Wahnsinnig traurige Geschichten. Erzählungen, übers. von Raija Hauck, Karl Rauch Verlag Düsseldorf 2014. 144 Seiten, ISBN: 978-3-7920-0361-9, € 18,00.
Unglückszahl des Alltags
Die 13 - die Unglückszahl des Alltags. Wenn nun Tereza Boučková - einst Unterzeichnerin der Charta 77 und in Tschechien längst als Autorin teils autobiografischer Prosa etabliert - genau 13 Erzählungen in einem schmalen Bändchen im Verlag Karl Rauch präsentiert, dann ist die Zahl erneut Symbol für das unerklärliche, unhinterfragte und unerbittliche, aber sich ständig summierende Unglück vieler auf den ersten und zweiten Blick ziemlich normal daherkommender Menschen. Sie heißen Marta, Emil oder Albert, und ihnen fehlt in jedem Moment das Außergewöhnliche: Menschen wie Du, lieber Leser, und ich - wenn man so ehrlich ist, der bitteren Realität ins Auge zu blicken. Das ist dann schon mehr, als den Protagonisten vergönnt ist, sie sind Gefangene in unspektakulären Beziehungen, im eigenen körperlichen Handycap, in der Berufswelt, im Dorf oder in der Stadt - und selbst die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen wie Kommunismus, Wende oder sinnstiftende Momente wie Religion oder Wochenenddatscha haben keinen ernsthaften Einfluss auf die Figuren. Sie sind einfach unglücklich, ihnen geschieht schlicht Trauriges - Sinn im Leben: Fehlanzeige oder maximal Trug. Tereza Boučková verdichtet die unglückliche Realität in ihrer nüchternen, teils rhythmisierten Prosa ohne jegliches Pathos zu ganz lebenstypischen Skizzen, manchmal überformt sie die Einfachheit der Vorgänge und Gedanken in Verse ohne überhöhenden Lyrismus und gewinnt dadurch in der Sprache eine schlichte Kraft, der sich der Leser nicht entziehen kann.
Ein Beispiel? Bitteschön:
„Immerfort hatte sie Ausrufezeichen im Kopf. Du hinkst! Du bist minderwertig! Erwarte nichts! Trau niemandem! Ein Mann wird nur aus Mitleid mit dir zusammen sein!“
Bitte, verehrte Tereza Boučková, mehr davon, mit oder ohne Hoffnung,
Ihr Rainer Karlitschek