Tomáš Halík: Traum vom neuen Morgen
- Glaube und Kirche
Ein Blick in die Zukunft von Glaube und Religion
Tomáš Halík muss ich nicht vorstellen, aber ein Blick in seine geistig-geistliche Entwicklung seit 1990 erhellt erst eine Persönlichkeit, die vom eher nebulösen „Nečisten“ (Irgendwieglaubenden) zum führenden theologischen Zukunftsdenker geworden ist: vom unkritisch begeisterten Anhänger des politisch freiheitsbringenden, doch theologisch eher konservativ-bewahrenden polnisch-europäischen Papst Johannes Paul II. bis zum theologisch vorsichtig vorantastenden argentinisch-weltweiten Papst Franziskus.
Diesen geistig-geistlichen „Weg“ Tomás Halíks kann man – so man sich die Lese- Mühe macht – an den inhaltswiderspiegelnden Titeln seiner zahlreichen Publikationen geradezu mitgehen und dann auch verstehen, warum er direkt nach 1990 von der „Oberministrantenhaft“ aus kommunistischer Versenkung an die Karls-Universität zurückgeholten Theologischen Fakultät unter dem zwielichtigen Dekan Wolf ausgeschlossen wurde: Sein Blick ging da schon über die herkömmlichen theologischen Ausbildungskriterien weit hinaus in eine neue Universalität des Christentums. Er blieb nicht bei der „Nacht des Beichtvaters“ stehen, sah im „Nachmittag des Christentums“ keineswegs den nahenden dunklen Abend, fürchtete sich ebenso wenig vor den „Leeren Kirchen“, sondern strebte im Realtraum eines „Neuen Morgen“ in eine Zukunft, die Jahrzehnte zuvor der französische Jesuit Teilhard de Chardin vorgezeichnet hatte – wie auch der 1988 verstorbene Geheimbischof aus Brünn Felix Maria Davídek.
In dem kleinen Büchlein bündelt und offenbart Halík die Summe seiner jahrzehntelangen theologischen und soziologischen Kenntnisse und Erkenntnisse in der für manchen theologischen Dogmatiker sicherlich ungewöhnlichen Form zwölf fiktiver „Briefe an Brückenbauer“ an einen als Traumperson angesprochenen Papst Raphael. Er konfrontiert Leserinnen und Leser mit der radikalen – das heißt: an die Wurzeln des Denkens gerichteten! – Unterscheidung zwischen rückwärts gewandtem dogmatischem KATHOLIZISMUS und einer künftigen universellen KATHOLIZITÄT. (S. 133) Dabei scheut er keineswegs vor drastisch-klaren Formulierungen bezüglich der negativen Folgen des 1. Vatikanischen Konzils, der Haltung Papst Pius IX., den Absolutheitsansprüchen vatikanischer Bürokratie, den kirchlichen Glaubensmonopolisten der „Zöglinge des Kirchenapparates“ (S. 118) in der kirchlichen Hierarchie zurück; um „Christus wiederzuentdecken, müssen wir viele Tabus überwinden, offen miteinander reden und auch über Themen nachdenken, die wir zu lange lieber behutsam vermieden haben“ (S. 119), denn „die Mauer zwischen Glauben und Unglauben ist gefallen“ (S. 112) – auch hinsichtlich der Frauen- und verheirateten Männer-Weihe. So plädiert er dafür, dass nicht die zählbaren „pastoralen Erfolge“ (S. 194) Maßstab seien, vielmehr, “ob ich dem Hochmut widerstanden und ein demütiges Herz erhalten habe“ (S. 194).
Es ist ein mutiges Büchlein theologischer und historischer sowie soziologischer Kenntnisse sowie Erkenntnisse gegen immer wieder erkennbarem „paranoiden Schnüffeln“ (S. 138) in Glaubensdingen, das auch mancher Ackerfrau und vielen Ackermännern Anlass zum Überdenken eigener Positionen und Inspiration für religiöse innere und äußere Heimatsuche sein sollte und kann! Denn „Gott ist nicht irgendwo ‚jenseits‘ der Welt unseres Lebens, sondern er ist in ihr, er ist ihre Tiefe“ (S. 95).
Dr. Otfrid Pustejovsky