Versöhnung in Progress. Die katholische Kirche und die deutsch-polnischen Beziehungen nach 1945. Ausstellungskatalog, Berlin 2015, 180 Seiten, ISBN 987-83-939223-9-0.
Auf dem Weg der Verständigung
Die Aussöhnung ist im Gange, ob das immer im Voranschreiten sein kann, ist eine eigene Frage, daher auch die Grundintention, eine Ausstellung zu präsentieren, die den Prozess beleuchten will, 50 Jahre nach dem spektakulären Briefwechsel der polnischen und deutschen Bischöfe. Es ist zu berechtigt, dass im Katalog darauf hingewiesen wird, dass das Eis (der Versöhnung) zwischen Deutschen und Polen immer noch dünn sei. Bilder und Erfahrungen der Nazi-Vergangenheit werden auch im öffentlichen Diskurs in Polen gern als Waffen eingesetzt, viele Vertriebene verweisen mit mehr Nachdruck auf die Ereignisse in Polen und die angeblichen Revokationen mit mehr Nachdruck als auf den Einladungsbrief an die deutschen Bischöfe zur Mitfeier des Millenniums der Christianisierung 1966.
Robert Zurek, Kurator der Ausstellung, hat sich in seiner Dissertation 2003 mit der Rolle der evangelischen und der katholischen Kirche in den deutsch-polnischen Beziehungen zwischen 1945 und 1956 auseinandergesetzt. Zu Recht bauen die Einführungen zahlreiche Kautelen ein: Werkstatt will man sein, nicht eine fertige Geschichte könne und wolle man vorstellen und beschreiben; exemplarisch gehe man vor. Paradigmata zeigt die Ausstellung, Vorkämpfer, Propheten der Verständigung.
Die Ausstellung beginnt mit den Hindernissen, den lebendigen Ruinen der Jahre 1945 bis 1948, der Tradition der wechselseitigen Negativbilder und Ablehnungen. Zwischen Gräbern und Ruinen wird sodann die Rolle der katholischen Kirche in Polen in der unmittelbaren Nachkriegszeit skizziert, unkritisch kirchenfreundlich. Die heißen Eisen werden mit Zitatausrissen der Zeitgenossen vorgestellt, etwa die Rolle und das Verhalten polnischer Geistlicher bei der Vertreibung der Deutschen; da wünschte man sich einige aktuelle wissenschaftliche Stimmen. Der polnische Exilminister Stanislaw Sopicki mit seinem Aufruf zur Versöhnung auf dem Katholikentag 1948 in Köln wie junge Danziger mit ihrer Gemener Botschaft von 1947, die Königsteiner Kongresse Kirche in Not mit ihren Begegnungsforen und den jeweiligen Informationen zur Lage der Kirche in den Ländern des Ostblocks, Walter Dirks, Eugen Kogon, die Haltung der katholischen Kulturzeitschrift Hochland, die Predigt des Berliner Bischofs Julius Döpfner am Gedenktag der heiligen Hedwig 1960, Günter Särchen mit seinen Initiativen in der DDR, Pax Christi 1964 mit der Bußreise nach Auschwitz und 1965 die Fahrradpilgerreise der Aktion Sühnezeichen DDR nach Auschwitz werden als Wegbereiter und Etappen auf dem Weg zur Versöhnung vorgestellt.
Was könnte noch erwähnt werden: Der ermländische Bischof und vom Papst als Beauftragter für die Vertriebenen und Flüchtlinge ernannte Maximilian Kaller mit seinem nüchternen Realismus, der seinen Diözesanen bereits im Herbst 1945 in einem Hirtenschreiben zurief: Die Heimat ist uns verloren, das lässt sich nicht rückgängig machen, und damit jeglichem Revisionismus vorbauen wollte; der nach der Ausweisung durch die Nationalsozialisten im Februar 1945 im August desselben Jahres zurückging in sein Bistum und dort Seelsorger der polnisch sprechenden Katholiken sein wollte. Oder das weit verbreitete Gebet der Heimatlosen, die schon 1946 Gott darum baten, dass nicht Gedanken der Rache und neuer Vergeltung Macht gewinnen über die Herzen.
Mit einem Ausblick auf die bleibenden Aufgaben der Versöhnung schließt der Haupttext des Kataloges mit einem Zitat von Johannes Paul II.: „Wir müssen uns anstrengen, um die alten Kräfte des Hasses und der Zerstörung zu überwinden und auf dem Weg der Verständigung und Verbrüderung der Völker voranzuschreiten.“ Versöhnung kann nicht nur auf politischer oder kirchenamtlicher Ebene vorangebracht werden, sondern muss auch unten ankommen und gelebt werden.
Prof. Dr. Rainer Bendel