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Wolfgang Schwarz: Bedeutende Tschechen. Zwischen Sprache, Nation und Staat (1800-1945)

Eugen Lemberg prägte den Begriff „Deutsche Bildungslücke Ostmitteleuropa“ und bedauerte - auch vor der Ackermann-Gemeinde immer wieder - dieses fehlende Verständnis und die Überheblichkeit vieler Deutscher. Wie wenig Ostmittel- und Westeuropa bis heute auf mentaler Ebene zusammengewachsen sind, offenbart z. B. die Wahrnehmung der momentanen Flüchtlingskrise.

Wolfgang Schwarz: Bedeutende Tschechen. Zwischen Sprache, Nation und Staat (1800-1945), Hrsg.: Adalbert Stifter Verein, München 2015, 194 S., ISBN 978-3-940098-19-9, € 8,00, zu beziehen bei: Adalbert Stifter Verein, Hochstraße 8, 81669 München, Tel.: 089/622716-30.

 

„Bildungslücke“ geschlossen

Eugen Lemberg prägte den Begriff „Deutsche Bildungslücke Ostmitteleuropa“ und bedauerte - auch vor der Ackermann-Gemeinde immer wieder - dieses fehlende Verständnis und die Überheblichkeit vieler Deutscher. Wie wenig Ostmittel- und Westeuropa bis heute auf mentaler Ebene zusammengewachsen sind, offenbart z. B. die Wahrnehmung der momentanen Flüchtlingskrise. Deutschland, ja ganz Westeuropa halten ihren Hang zum Multikulturalismus für den einzig richtigen Weg, sie wollen ihr Modell gleichsam mit der Brechstange durchsetzen, nehmen die Ansichten von Tschechen, Slowaken, Ungarn, Polen, Balten nicht zur Kenntnis und durchfurchen den ohnehin zerklüfteten Kontinent noch mehr. Da kommt gerade Wolfgang Schwarz mit seinem Buch „Bedeutende Tschechen. Zwischen Sprache, Nation und Staat 1800 bis 1945“ gelegen. Mit den Biographien findet Schwarz einen geschickten Einstieg: Viele Menschen lassen sich mit Lebensgeschichten eher ansprechen als mit Geschichtsbüchern. Es geht in dem Buch um Personen, die das Leben der Tschechen noch heute beeinflussen oder gar prägen. Freilich: Tschechien ist nicht ganz Ostmitteleuropa, aber es ist ein wichtiger Teil. Es ist auch der Kernbereich der Arbeit der Ackermann-Gemeinde.

Wolfgang Schwarz ist Kulturreferent für die böhmischen Länder im Adalbert Stifter Verein in München, der ebenfalls seit Jahrzehnten unermüdlich dazu beiträgt, jene „Bildungslücke“ zumindest zu verkleinern. Das Buch schließt an das Ausstellungs- und Buchprojekt „In Böhmen und Mähren geboren - bei uns (un)bekannt“ an. Seit 2009 wird die Ausstellung gezeigt. Die von Schwarz ausgewählten 15 Geistesgrößen entstammen dem Kulturleben, den Bereichen Politik, Wirtschaft und Technik. Hinzu kommen Schlaglichter auf weitere 60 Persönlichkeiten, die ebenfalls ihre Bedeutung haben „für das tschechische nationale Selbstverständnis und auf ihre Haltung zu deutsch-tschechischen Nationalitätenkonflikten, ihre Beziehung zur Habsburgermonarchie, zur deutschen Sprache und zum deutschen Kultur- und Sprachraum.“

Die Lektüre dieser Biographien zeigt, wie sich seit 1848 der böhmische Landespatriotismus in einen an die Sprache und an die ethnische Zugehörigkeit gebundenen Nationalismus verwandelte. In der Einleitung beschreibt Wolfgang Schwarz diese Entwicklung sowie das deutsch-tschechische Zusammenleben im nach dem Ersten Weltkrieg neu entstandenen Staat mit Teilerfolgen, Konflikten, Traumata.

Bekannt sind sicherlich die Komponisten Antonín Dvořák, Leoš Janáček, Bedřich Smetana, aber auch die Schriftsteller Karel Čapek, Jaroslav Hašek, Božena Němcová, wohl auch Karel Hynek Mácha. Unter den Künstlern tauchen Alfons Mucha, Ema Destinová, Emmy Destinn, Josef Lada auf. Für die Wirtschaft steht Tomáš Baťa, für Technik František Křižík. Eine wichtige Persönlichkeit ist Josef Jungmann. Ohne ihn wäre die tschechische Sprache nicht das, was sie heute ist (Schwarz). František Palacký legte die Basis für das tschechische Nationalbewusstsein, Tomáš Garrigue Masaryk war erster Präsident der Ersten Republik und Philosoph. Nach seinem Tod 1937 würdigten nicht nur Tschechen, sondern auch Deutsche seine Persönlichkeit (Bohemia, Prager Tagblatt). Schwarz erinnert auch an die bewegenden Abschiedsworte von Wenzel Jaksch.

Unter „Weitere Persönlichkeiten“ erinnert das Buch z. B. an Edvard Beneš, Josef Beran, Bernard Bolzano, Josef Suk, auch an den Böhmerwaldschriftsteller Kar(e)l Klostermann, ein Mann mit hoher Symbolkraft für die deutsch-tschechische Verständigung, von deutschnationalen Kreisen lange Zeit totgeschwiegen, heute wiederentdeckt und wiederaufgelegt.

In dem Buch fehlt der Philosoph Jan Patočka (1907-1977), keiner der böhmischen Volksstimmen hörig. Dies als Tipp für eine Neuauflage des Buches.

Gerold Schmiedbach