Přemysl Pitter (1895-1976)
„Přemysl Pitter hat mir den Glauben an die Menschheit zurückgegeben.“
Jehuda Bacon, jüdisches „Pitter-Kind“
„Wenn wir uns alle darum bemühen, in seinem Sinne dafür zu sorgen, dass unsere Kinder ein gutes Verhältnis zu ihren Nachbarn haben, dann haben wir begriffen, was Onkel Přemysl eigentlich uns Kindern gegeben hat.“
Brigitte Zarges, deutsches „Pitter-Kind“
„Přemysl Pitter ist ein Beispiel für Humanismus und Toleranz.“
Václav Havel
Přemysl Pitter ist eine große Gestalt des deutsch-tschechischen Verhältnisses im 20. Jahrhundert. Er hat sich als Humanist und Verteidiger der Menschenrechte in einer Phase des blutigen und aufgeheizten Nationalismus für besonders betroffene Kinder unabhängig ihrer nationalen Herkunft eingesetzt und ist damit direkt zu Kriegsende mutige Schritte zu einer deutsch-tschechisch-jüdischen Versöhnung gegangen. Auch sein Einsatz in der Zwischenkriegszeit für Kinder aus sozialschwachen Familien in Prag, für verfolgte Kinder in der Zeit des Nationalsozialismus und sein Wirken im deutschen Exil nach der kommunistischen Machtübernahme in der Tschechoslowakei sind beeindruckende Zeugnisse eines christlichen Lebens.
Přemysl Pitter stand zu Lebzeiten in engem Kontakt mit Vertretern der Ackermann-Gemeinde. „Im selben Geist, in dem Sie gepredigt haben, predige auch ich und benütze jede Gelegenheit, in diesem Sinne zu wirken“, schrieb er 1955 dem ersten Geistlichen Beirat P. Dr. Paulus Sladek.
Der Ackermann-Gemeinde ist es ein Anliegen, die Erinnerung an Pitter als ein Vorbild für die deutsch-tschechische Nachbarschaft und für christlichen Einsatz wachzuhalten. Aus diesem Anlass errichtet die Ackermann-Gemeinde 1997 an der Stelle des früheren Valka-Lagers in Nürnberg eine Stele.
Weitere Informationen zu seinem Leben:
Beitrag Radio Prag „Přemysl Pitter – ein Pazifist mit außerordenltichem Mut“
Austellung und Katalog
Im Jahr 2011 erstellte das Instituum Bohemicum – Kultur- und Bildungswerk der Ackermann-Gemeinde, gemeinsam mit dem Nationalen Pädagogischen Museum in Prag, welches den Nachlass von Přemysl Pitter und Olga Fierz betreut, die Ausstellung „Europäischer Humanist. Přemysl Pitter“. Sie wurde seither in vielen deutschen Städten (Nürnberg, München, Berlin, Augsburg, Frankfurt, Würzburg, Waidhaus, Weiden u.a.) sowie in der Schweiz (Zürich) gezeigt.
Im Jahr 2018 wurde die Ausstellung überarbeitet und grafisch neu gestaltet. Im Jahr 2019 wurde die neue Version im Waldmusem in Zwiesel erstmals präsentiert.
Begleitkatalog
Zur Ausstellung ist auch ein gleichnamiger Katalog erschienen. Er liegt mittlerweile in dritter Auflage vor. Dieser beinhaltet neben den Texten und Bildern der Ausstellung zu Leben und Wirken von Přemysl Pitter drei Aufsätze:
- Dr. Jan Štěpán: Die Ideenwelt Pitters im Kontext der europäischen Entwicklungen seiner Zeit.
- Franz Bauer: Pitters Wirken in Deutschland und sein Einsatz für eine deutsch-tschechische Versöhnung
- Monika Žárská: Eine starke Frau an Pitters Seite – Olga Fierz
Zwei Dokumente und eine Zeittafel runden den 103-seitigen Katalog ab.
Er kann zum Preis von 5,00 € (zzgl. Versand) über die Ackermann-Gemeinde bestellt werden:
Katalog "Europäischer Humanist. Přemysl Pitter"
Weitere Berichte und Informationen zur Ausstellung.
Neuauflage Autobiographie „Unter dem Rad der Geschichte“ (2017)
„Unter dem Rad der Geschichte“ hieß die Autobiographie Pitters, die im Jahr 1970 erschien. In einer Bearbeitung von Sabine Dittrich ist dieses Werk in einer Neuauflage entstanden. Der Text Pitters ist ergänzt um eine Einleitung, zahlreiche Fotos sowie eine Zeittafel.
Přemysl Pitter berichtet sachlich von seinem Leben als europäischer Humanist in bewegten Zeiten. Seiner Wendung zum christlichen Glauben folgte mutiges und geschicktes Handeln – das für unzählige Menschen über viele Jahrzehnte zum Segen wurde.
Die Neuauflage dieser Autobiografie ist ein Projekt der Ackermann-Gemeinde e. V. (München), des Museums J. A. Komenský (Pitter-Archiv, Prag) sowie der Autorin Sabine Dittrich und wird vom Verein Milidu (Zürich) und dem Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds (Prag) unterstützt.
Das Buch ist erhältlich über den Neufeld Verlag und über den Buchhandel
Přemysl Pitter
Unter dem Rad der Geschichte
Autobiografie
Neu bearbeitet von Sabine Dittrich
173 Seiten, 16 Seiten s/w-Bildteil
Paperback, 13,5 x 21 cm
Erscheinungstermin: März 2017
ISBN 978-3-86256-083-7
Empfehlungen
Roman
In ihrem Roman Tage der Wahrheit lässt Autorin Sabine Dittrich Přemysl Pitter und die Aktion „Schlösser“ eine wichtige Rolle spielen ...
Dokumentarfilm
Milujte své nepřátele/Liebet eure Feinde“ heißt ein 76-minütiger Dokumentarfilm von Tomáš Škradlant. Dieser wurde im Jahr 2013 von der Pfarrei der Böhmischen Brüder in Prag-Dejvice herausgegeben. In Deutschland ist er auf DVD für 5,00 € (zzgl. Versand) auch über die Ackermann-Gemeinde erhältlich.
Interviewbuch mit Jehuda Bacon
Der bekannte Bestseller-Autor Prof. Dr. Manfred Lütz lernte den jüdischen Künstler Jehuda Bacon kennen und schätzen. Entstanden ist der Interviewband „Solange wir leben, müssen wir uns entscheiden“ – Leben nach Auschwitz, der zeitweise als Spiegel-Bestseller gelistet war. Bacon erzählt darin seine Geschichte. Als 15-Jähriger fand er – nachdem er Deportationen nach Theresienstadt und Auschwitz sowie zwei Todesmärsche überlebt hatte – Aufnahme bei Přemysl Pitter. Bacon meint heute: „Pitter hat mir den Glauben an die Menschheit zurückgegeben.“
Zur Person: Jehuda Bacon, geboren 1929 in Mährisch-Ostrau (Ostrava, Tschechoslowakei) ist ein israelischer Künstler. Im Herbst 1942 kam er mit seiner Familie in das Ghetto Theresienstadt. Im Dezember 1943 wurde er in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert, wo er als einer der “Birkenau-Boys“ Gelegenheit hatte, in alle Bereiche des KZ zu gelangen. Als einziger seiner Familie überlebte er und wurde nach mehreren Todesmärschen am 5. Mai 1945 in Österreich befreit. 1946 wanderte Jehuda Bacon nach Palästina aus, begegnete dort u.a. Martin Buber und Max Brod und studierte an der Bezalel-Kunstakademie in Jerusalem. Dort arbeitete er später als Professor für Grafik und Zeichnen. Seine Werke hängen in vielen bedeutenden Museen auf der ganzen Welt. Jehuda Bacon lebt mit seiner Frau in Jerusalem.
Jehuda Bacon und Manfred Lütz:
"Solange wir leben, müssen wir uns entscheiden." Leben nach Auschwitz
Gütersloher Verlagshaus, 2016, 192 Seiten, Preis: 16, 90 € [D]
ISBN-13: 9783579070896
Gedanken von Přemysl Pitter
… über den Nationalismus
„Allein der wahre Glaube kann den Nationalismus wirksam überwinden, der so viele Vorurteile, Vergehen und Verbrechen verursacht hat. Diese Überwindung liegt in der Anerkennung einer übernationalen Aufgabe, die jedem Volk von Gott gegeben ist. Nur im Anlehnen an das Absolute erhält die Nation ihren eigenen Sinn. Durch Leiden und Prüfungen führt Gott die Völker zur Erkenntnis, dass ,Volk´ und ,Staat‘ unheilvolle Götzen werden, wenn sie als Eigenziel aufgestellt werden, und dass sich jedes Übertreten seiner Gebote auch auf nationaler Ebene rächt.“
Aus einem Brief von 1955 an die Redaktion der Zeitschrift „Der Neue Ackermann“
... über die Vertreibung der Sudetendeutschen
„Das Prinzip der Aussiedlung großer Massen ist an sich etwas Unmenschliches, wenn es auch so menschlich als möglich durchgeführt würde. Richtig wäre es gewesen, jene Deutschen abzuschieben, die sich persönlich schuldig gemacht hatten und denen die Schuld durch ordentliche Gerichte nachgewiesen worden war. [...] Ein solcher Abschub ist etwas Rücksichtsloses, Rohes und Unsinniges. Nur der psychologische Schock, den das tschechische Volk durch die schreckliche Zeit der Hitler-Okkupation erlitt, kann ihn erklären, nicht rechtfertigen.“
Aus der Zeitschrift „Hovory s pisateli“ (Gespräche mit Briefeschreibern) im März 1963
... über gemeinsame Schuld und Verantwortung vor Gott
„Es ist unmöglich, der Mitschuld dadurch zu entfliehen, dass wir die eigene Verantwortlichkeit auf andere abwälzen. Alle haben wir irgendwie und irgendwo versagt, unterlagen wir der Welle des Hasses und der Begierde, sei es durch die Tat oder durch Schweigen. Alle tragen wir gemeinsam die Schuld und die Verantwortlichkeit vor Gott, und so tragen wir gemeinsam die Folgen.“
In einer Rundfunkansprache im Sender „Radio Free Europe“
… über die Bedeutung nationaler Grenzen
„Die wahre Lösung der mitteleuropäischen Probleme ist nicht in besserer Grenzziehung zu suchen, sondern in der Überwindung der Grenzen. Es gibt zwischen unseren Völkern praktisch keine gerechte Grenzziehung, und trennende Grenzen sind nicht gottgewollt. Die Zeit muss kommen, wo sie ihre Bedeutung verlieren, weil alles Bindende und Verbindende gewachsen ist. Dann werden Landes- und Volksgrenzen nicht mehr trennen, als es heute Bezirksgrenzen tun.“
In der Zeitschrift „Der Neue Ackermann“ im Jahr 1955