Nachbarschaft in Europa mitgestalten

Günther Beckstein und Fürst Schwarzenberg würdigen Arbeit der Ackermann-Gemeinde

Das diesjährige Bundestreffen der Ackermann-Gemeinde in Pilsen würdigte Günther Beckstein, bayerischer Ministerpräsident a.D., als zukunftsorientiert, da dies die erste „Großveranstaltung Vertriebener auf tschechischem Staatsgebiet, ein besonderes Ereignis in der Geschichte der Aussöhnung der Völker Mitteleuropas nach dem Zweiten Weltkrieg“ sei.

„Freiheit und Vergebung beruht auf dem Bekenntnis der Sünde“, sagte Beckstein. Die Ackermann-Gemeinde behalte diese Wahrheit seit ihrer Gründung im Auge und achte darauf, dass sich der Prozess der freundschaftlichen Annäherung nicht verzögert. „Es ist Zeit für eine endgültige, eine ehrliche und eine umfassende Versöhnung“.

Beckstein verwies auf die enge Verbundenheit von Deutschen und Tschechen: sie sind Nachbarn in Europa und haben eine gemeinsame Zukunft im riesigen Wirtschaftsraum der Europäischen Union. Die Politik könne einen Rahmen liefern, Initiativen und Aktionen anstoßen, finanziell und ideell Unterstützung geben. Aber Verständigung und Versöhnung könne nur von den Menschen selbst vollzogen werden. 

Besonders zollte er dem Engagement der Ackermann-Gemeinde Respekt. Gemeinsame Projekte zur Aufarbeitung der Geschichte und zum Erhalt der gemeinsamen Kultur seien ein guter Schritt und die Basis für die Weitergabe des gemeinsamen Erbes. Doch forderte Beckstein auch von den Deutschen noch mehr Anstrengungen, „um die Sprache, die Kultur und die Lebens- und Denkgewohnheiten der tschechischen Nachbarn wirklich zu lernen“. Von den Tschechen wünscht er sich, sich den dunklen Seiten ihrer Geschichte zu stellen.

„Ich wünsche Freundschaft in guter Nachbarschaft, ein weiteres gutes Miteinander der Ackermann-Gemeinde und eine gute Zukunft der Menschen im Herzen Europas. Das ist die gemeinsame Aufgabe von Politikern, Menschen und Christen. Ich danke Ihnen, dass Sie an dieser großen Aufgabe mitwirken“, sagte Beckstein abschließend.

In seiner Funktion als Bayerischer Regierungschef traf Beckstein auf Fürst zu Schwarzenberg, dem er bestätigte, „viel für die deutsch-tschechische Annäherung getan“ zu haben. Der ehemalige Außenminister der Tschechischen Republik, fand zunächst persönliche Worte für die Ackermann-Gemeinde, die viel für seine eigene Erziehung getan hat. Zahlreiche verschiedene Diskussionen habe er im Laufe seines Lebens mit Mitgliedern der Ackermann-Gemeinde geführt, sagte er. „Sie haben mich beeinflusst und geformt, zu dem was ich bin“. Es sei an der Zeit, dafür einmal Danke zu sagen.

Auch Schwarzenberg bestätigte der Ackermann-Gemeinde Anteil an dem Wandel „hüben und drüben“. „In Wirklichkeit passieren die wesentlichen Dinge woanders, und dazu habt ihr beigetragen“.

Schwarzenberg hielt eine europäische Rede. Europa sei ein Geschenk von oben, darin liege die Schwierigkeit. Denn die europäische Union und die europäischen Staaten könnten ohne Bürger gar nicht sein. Die Politiker in Brüssel tragen Schuld daran, dass die Bürger die Idee Europas noch nicht so verinnerlicht haben. „Man dürfe von Europa nicht nur reden, man muss es leben“, sagte Schwarzenberg mit Blick auf die heute 20-Jährigen. Für sie sei es selbstverständlich, in ganz Europa zu studieren und zu arbeiten.

Dass sich die deutsch-tschechische Nachbarschaft bis heute schon so positiv entwickelte, in so kurzer Zeit, überrascht ihn. „Noch vor 20 Jahren war kaum vorstellbar gewesen, dass einmal die Zeit kommen würde, wo Tschechien einerseits die Ratspräsidentschaft übernehmen würde und im Laufe dieser feststellt, dass unser engster Verbündete die Bundesrepublik Deutschland sein wird. Das hätte ich so nicht gedacht.“ Schwarzenberg schloss seine Rede mit der Mahnung, Europa ernster zu nehmen, als wir es bisher getan hätten.

Text und Fotos: Markus Bauer/Susanne Beckmann