Exkursionen: Deutsch-tschechische Aspekte in der Praxis erkunden
Unter dem Titel „Begegnung mit der südböhmischen Region“ ging es im Rahmen des Bundestreffens der Ackermann-Gemeinde zu verschiedenen Einrichtungen der sozialen Arbeit, der tschechisch-deutschen Zusammenarbeit und zu historischen Orten der gemeinsamen Geschichte. Exemplarisch wird hier über die Exkursion „Auf den Spuren des sudetendeutschen Glaubenszeugen in der NS-Zeit P. Engelmar Unzeitig“ berichtet.
Die Fahrt führte zu dessen letzter Wirkungsstätte in Glöckelberg. Während der Reise gab der Leiter dieser Gruppe Pfarrer Klaus Oehrlein, Geistlicher Beirat der Ackermann-Gemeinde in der Diözese Würzburg, einen Überblick über das Leben und Wirken Pater Engelmar Unzeitigs, der den Mariannhiller Missionaren angehörte und aus Greifendorf stammte. Zwei Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges feierte er dort seine Primiz, im Sommer 1940 kam Pater Engelmar zur Seelsorge nach Glöckelberg. Hier wurde er – da er offen seine Meinung äußerte – am 21. April 1941 verhaftet und zunächst nach Linz, dann ins KZ Dachau gebracht. Am 2. März 1945 starb er dort, nachdem er sich im Winter mit der dort seit Spätherbst 1944 grassierenden Typhus angesteckt hatte, an eben dieser Krankheit. Intensiv hatte er sich dort um Häftlinge und Kriegsgefangene gekümmert, ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit. Im Jahr 2000 wurde Pater Unzeitig zu den Märtyrern des 20. Jahrhunderts aufgenommen, er trägt den Titel „Engel von Dachau“ bzw. „Deutscher Maximilian Kolbe“. Seine Seligsprechung wird voraussichtlich im Herbst 2016 in Würzburg sein, da viele Zeugnisse von Mitgefangenen und Mitbrüdern dafür sprechen.
Vor Ort, d.h. in Glöckelberg, informierte Horst Wondraschek aus Linz, dessen Mutter hier geboren ist und der viel in die Restaurierung und den Erhalt der Kirche investiert hat, über die Geschichte dieses Dorfes und wie sich nach der Wende 1990 die Situation dargestellt hat. „Die Kirche befand sich total in einem Wildwuchs, drei oder vier Grabsteine schauten noch heraus, alle anderen waren unter der Erde“, schilderte Wondraschek. Unzählige Bäume mussten gefällt, der Friedhof wieder in einen würdigen Zustand gebracht werden. Am 22. September 1990 machten sich ehemalige Glöckelberger aus ganz Deutschland ein Bild vom damaligen Zustand. Mit Pickel und Schaufel ging es an das Aufspüren der Grabsteine, an Allerheiligen 1990 wurden dann 100 gefunden und mit einem Minibagger geborgen. Anhand von Erinnerungen früherer Glöckelberger wurden die Grabsteine dann neu aufgestellt. Zur erfolgreichen Kirchenrenovierung trug der damalige Budweiser Bischof Miloslav Vlk sehr durch seine „moralische Unterstützung“ bei. Er regte sogar an, in dem neu zu gestaltenden Kreuzweg die Leidensgeschichte der Vertriebenen mit aufzunehmen, was dann aber Wondrascheks Gattin, die den Kreuzweg malte, nicht umsetzte. Die Wiedereinweihung des Glöckelberger Gotteshauses war am 22. August 1992, 1,5 Mio. Schilling kostete die Renovierung. Einige Teile der Ausstattung wurden später noch ergänzt. Pater Engelmar Unzeitig wurde ein Fenster gewidmet, ebenso dem Heiligen Johannes Nepomuk. Die zwölf Apostel sind übrigens auf den Emporenbildern abgebildet.
Zum Abschluss der Führung überreichte Christoph Mauerer von der Bundesführung der Jungen Aktion ein per Computer gestaltetes Bild von Pater Engelmar Unzeitig an Horst Wondraschek. Dieser gab auch noch im daneben liegenden Museum eine kurze Führung, wo neben Bildern aus der Dorfgeschichte auch eine Abteilung dem Schriftsteller, Kulturhistoriker und Journalist Johannes Urzidil gewidmet ist.
„Stadt der lebendigen Bücher“
An zwölf Orten der Stadt Budweis lief am Samstagnachmittag das Programm „Stadt der lebendigen Bücher – Zeitzeugen der Gegenwart erzählen“. Exemplarisch sei hier auf die Angebote „Wege der Diskriminierung. Geschichte der Roma und Sinti“ sowie „Katholische Schule für atheistische Kinder?“ eingegangen. Die tschechische gemeinnützige Organisation „Antikomplex“, die sich seit vielen Jahren unter anderem der Aufarbeitung der Geschichte widmet, hat mit Schülern im Alter von 16 bis 18 Jahren aus Ostrau und Schwabmünchen das Thema „Sinti und Roma“ in beiden Ländern aufgegriffen und daraus eine Ausstellung erarbeitet. Die Direktorin von Antikomplex Terezie Vávrová und die Mitarbeiterin Natascha Hergert erläuterten die wesentlichen Inhalte dieses Projekts und die Aufbereitung des Themas. Natürlich standen sie auch für Rückfragen der Teilnehmer, welche die in deutscher und tschechischer Sprache aufbereitete Ausstellung besichtigten, zur Verfügung. Im Bischöflichen Johann-Nepomuk-Neumann-Gymnasium erläuterte Direktor Mgr. Zdeněk Dvořák die Entwicklung der im Jahre 1990 gegründeten Schule (inkl. Internat) sowie der aus dem Jahr 1888 stammenden Kirche. „Heute nehmen 60 bis 62 Prozent der Kinder am Religionsunterricht teil“, vermeldete er positive Zahlen, auch die Schulgottesdienste vor den Ferien seien – obwohl auf freiwilliger Basis - sehr gut besucht und „ein beeindruckendes Erlebnis“. Schüleraustausche gibt es mit kirchlichen Schulen in Deutschland und Österreich. „Die Schule hat bestes Renommee und erhält immer gute Bewertungen, ist aber auch anspruchsvoll und streng“, fasste Dvořák zusammen.
Markus Bauer